23|11|2014 Manchmal muss es eben heiß zugehen - auch in der Küche - oder? Keine Angst, ich bin kein Schärfejunkie, der sich eigenhändig mit dem Saft von 20 Habaneros das Lebensmotto „Ist das zu scharf, bist du zu schwach!“ quer über die Brust eingeätzt hat, aber manchmal, ja, manchmal verlangt meine Zunge einfach danach, mit etwas Capsaicin auf Touren gebracht zu werden - und dann wandern Chilis in den Topf - eine, zwei, oder auch mal drei.
Hier geht's zu den scharfen Sachen: Gulasch mit Chili
Mein bevorzugter „Scharfmacher“ ist ein asiatisch angehauchtes Chili-Schweinegulasch aus dem Schmortopf. Das ist schnell vorbereitet, schmort sich in relativer kurzer Zeit (1,5 bis max. 2 Stunden) quasi von selbst und bringt neben der (mehr oder weniger) ausgeprägten Schärfe auch noch ein gewisses Flair von Fernost auf den Tisch. Als „Schärfepuffer“ reiche ich gerne Mie-Nudeln (südostasiatische Weizennudeln) zu diesem Gericht, die ebenfalls ruckzuck in fünf Minuten servierfertig sind.
Als Fleisch empfehle ich ein Teil vom Schwein, das etwas mehr Fett in der Muskulatur aufweist, denn das bringt ein Plus an Geschmack und sorgt bei der Zubereitung für saftiges Fleisch. Meine erste Wahl für dieses Rezept ist ein schönes Stück Schweineschulter (auch Bug, Blatt oder Schaufel genannt) ohne Schwarte und Knochen. Wer einen höheren Fettanteil wünscht, der greift zum stark durchwachsenen Schweinenacken (Hals / Kamm), wer eine feinere Marmorierung bevorzugt, trifft mit einer Nuss (Schinkennuss), die mit feinen Fettadern durchzogen ist, die richtige Wahl.
Scharfe Sachen - richtig dosiert
Den richtigen Schärfegrad zu finden und auch zu treffen, ist zum einen Geschmacks- und zum anderen auch ein wenig Glückssache. Schon mal versucht, auf dem Gemüsemarkt von einem Verkäufer zu erfahren, was das denn für eine Sorte Chili ist, das da feilgeboten wird? Eben! Während bei Birnen, Äpfeln oder Kartoffeln schon auf dem Preisschild die Sorte verzeichnet ist, man vom Verkäufer einen kleinen Fachvortrag über Herkunft, Eigenschaften und Verbreitung zu hören bekommt, wenn man sich näher erkundigt, lautet die ergiebige Antwort bei Chili: „Sorte? Na, Chili eben, vorsicht, der ist scharf!“ Tja, wenn’s so einfach wäre: Die Zahl der Paprikaschotensorten ist Legion und die jeweilige Konzentration am Stoff Capsaicin, dem Scharfmacher in den Schoten, schwankt zwischen „Also, ich merk‘ da ja gar nix“ bis hin zu „Aaaaarrrrrrrggggllllhiiiilllllfeeeee, schneeeeelllllll, Kraaaaankenwaaaaagen!“.
Mie-Nudeln. |
Nun, Dein Trost soll sein: In der Regel werden auf den meisten mitteleuropäischen Märkten Chilis mit vergleichsweise moderater Schärfe vertrieben - greife also (halbwegs) unbesorgt zu. Wichtig vor der Verwendung ist: Entferne aus den Schoten unbedingt die weißen Häutchen, Samenscheidewände und besonders die Samen, da letztere 90 bis 99 Prozent des Capsaicins enthalten. Anschließend erst einmal die Augen reiben - nein - Scherz - natürlich auf keinen Fall die Augen reiben, sondern die Hände sehr gut waschen, und zwar mit Wasser und (WICHTIG) etwas Spülmittel. Die Hände nur kurz unter den Hahn hängen, hilft nicht, denn der Scharfmacher Capsaicin ist nicht wasser-, sondern nur fettlöslich.
Bei der unten angegebenen Menge an Fleisch und Schmorsud erziele ich mit zwei roten Pfefferschoten eine präsente, aber nicht zu dominante Schärfe. Drei Schoten sind in Kombination mit den Mie-Nudeln als "Schärfe-Puffer" für meinen Geschmack auch noch ok, kratzen aber wohlmöglich schon ein wenig an der Schmerzgrenze ungeübter Chili-Esser. Wer sich vorsichtig an das eigene Chililevel herantasten möchte, der kann mit aufgeschnittenen und entkernten ganzen Schoten (leicht angedrückt) oder Kombinationen von gehackten und ganzen Schoten arbeiten, also zum Beispiel nur eine Schote gehackt in den Schmortopf und die andere als Ganzes. Schmecke dann zwischendurch den Schmorsud ab und entferne die ganze(n) Chilischote(n), wenn Du merkst, dass die Schärfe für Dich ausreichend ist. Eine andere Alternative: Gib von den gehackten zwei Chilischoten nur die Hälfte der Stücke in den Schmorsud und stelle die andere Hälfte einfach in einem Schälchen auf den Tisch - dann kann sich jeder Esser nach eigenem Gusto mit einem Löffel noch Chili über das Essen auf dem Teller streuen. Also, Feuer frei!
Rezept für Gulasch vom Schwein mit Chili und Mie-Nudeln
ZUTATEN | für 4 Personen
Für das Gulasch:
- 1,2 kg Schweineschulter (alternativ Kamm oder Nuss)
- 250 g Zwiebeln
- 250 g Möhren
- 3 Knoblauchzehen
- 2 rote Chili-Schoten
- 2 El neutrales Pflanzenöl (z. B. Sonnenblumenöl)
- 1 EL Sesamöl (alternativ Kürbiskernöl oder Traubenkernöl)
- 1 EL Tomatenmark
- Meersalz zum Abschmecken
Für den Schmorsud:
- ½ Sternanis
- 1 Bio-Limone
- ca. 2,5 x 2,5 cm großes Ingwerstück
- 600 ml Kalbsfond
- 100 ml Sojasauce* (alternativ 50 ml Sojasauce und 50 ml Ketjap manis*)
- 4 EL Portwein oder Madeira
- 2–3 EL brauner Zucker
- 1 TL Harissa-Paste* (Gewürzpaste aus Nordafrika)
Tipp (keine Pflicht, aber Kür): Wenn Du den Schmorsud aromatisch noch etwas weiter intensivieren und ausdifferenzieren möchte, gib ergänzend noch eine oder mehrere der folgenden Zutaten hinzu:
- 1 TL dunkles Miso*
- 2 TL Yuzu-Direktsaft*
- 1 EL Tomami # 2*
Für die Mie-Nudeln:
- Mie-Nudelplatten (5 bis 6 Stück - ca. 350–400 g)
- Saft einer ½ Limone (alternativ 1 EL Yuzu-Saft*)
ZUBEREITUNG | 30. Min. plus 1,5 bis 2 Stunden Schmorzeit
- Zunächst muss geschnibbelt werden: Schneide zunächst die parierte Schweineschulter in kleinere, ca. 2 x 2 cm große Würfel, die Zwiebeln in ca. 0,5 cm breite Streifen und die Möhren in kleine, 2, bis 2,5 cm lange dünne Stifte mit einer Kantenlänge von ca. 3 mm. Die Knoblauchzehen werden geschält und gehackt, die Chilis gewaschen, längsseits aufgeschnitten, entkernt und ebenfalls gehackt.
- Schmorsud: ½ Sternanis in ein Tee-Ei oder einen Teebeutel geben, den Du anschließend mit Küchengarn verschnürst. Das Ingwerstück fein raspeln und ca. die Hälfte der Limonen-Schale abreiben. Alles mit den anderen Schmorsud-Zutaten gut in einem Messbecher verrühren (Kalbsfond, Sojasauce, Portwein, Zucker und Harissa - ein Rezept für selbstgemachtes Harissa findest Du hier - sowie falls verfügbar ergänzend noch Miso, Yuzusaft und Tomami).
- Brate nun die Fleischstücke in wenig neutralem Speiseöl in einem großen Topf scharf und kurz von allen Seiten an, so dass die Stücke eine feine Bräune annehmen. Letzteres gelingt nur, wenn Du die Stücke portionsweise nacheinander anbrätst, da bei zu vielen Stücken im Topf austretender Fleischsaft verhindert, dass die Stücke Farbe annehmen. Die angebratenen Stücke nimmst Du aus dem Topf heraus und hältst sie in einer Schüssel warm. Gieße nun das Sesamöl in den Topf und brate darin die Zwiebeln- und Möhrenstücke 4–5 Min. unter gelegentlichem Rühren an. Nimm anschließend die Hälfte der Möhre-Zwiebel-Mischung aus dem Topf - diese kommt später wieder hinzu.
- Nun die Knoblauch- und Chilistücke hinzugeben und 1 Min. mit anrösten, dann das Tomatenmark einrühren. Jetzt die angebratenen Fleischstücke in den Topf geben und den vorbereiteten Schmorsud angießen. Das Gulasch einmal kurz aufkochen und dann bei schwacher Hitze so lange schmoren, bis das Fleisch weich ist, das dauert ca. 1,5 bis 2 Std. Zwischendurch umrühren. Lasse während der ersten Schmorzeit den Topfdeckel ein ganz kleines Stück aufstehen, so dass etwas Flüssigkeit verdampfen kann. Nach ca. der Hälfte der Schmorzeit (ca. 50 Min.) die zuvor beiseite gestellte Hälfte der Möhre-Zwiebel-Mischung in den Topf zurückgeben. Probiere zwischendurch den Sud. Solltest Du merken, dass die Anis-Note stark wird, entferne das Ei/den Beutel mit dem Sternanis. In den letzten 20–30 Min. der Garzeit den Deckel ganz abnehmen, so dass sich der Sud weiter um mindestens ein Drittel reduziert. Tipp: Ist das Fleisch mürbe, aber der Sud für Deinen Geschmack immer noch nicht ausreichend konzentriert, hole mit einem feinmaschigen Schaumkelle* das Fleisch und Gemüse aus dem Topf und stelle es warm. Den Sud dann auf die gewünschte Konsistenz einköcheln und anschließen wieder mit dem Fleisch und Gemüse vereinen.
- Mie-Nudeln: Kurz vor dem Ende der Schmorzeit die Mie-Nudeln in reichlich kochendes Wasser geben, die Topf von der Feuerstelle nehmen und die Nudeln 4 Min. ziehen lassen. Anschließend mit einer Gabel kurz umrühren und über einem Sieb abgießen. Zu guter Letzt die in ihrem Geschmack etwas "trägen" Mie-Nudeln noch mit dem Saft einer ½ Limone (alternativ 1 EL Yuzusaft) verrühren, um ihnen etwas Drive zu verleihen.
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Randnotiz
Hotter than hell: Chili, Peperoni, Peperoncini oder Pfefferschote - das sind alles Synonyme für das Nachtschattengewächs Paprika. Die meisten Früchte (Schoten) der Paprika enthalten - in sehr unterschiedlicher Konzentration - den Stoff Capsaicin, der für die Schärfe der Schoten verantwortlich ist. Angegeben wird der Schärfegrad mittels der Scoville-Skala, die 1912 vom Pharmakologen Wilbur L. Scoville entwickelt wurde. Vereinfacht ausgedrückt gibt der Sconville-Wert die Menge an Flüssigkeit in Millliliter an, die man trinken müsste, um einem Milliliter der aufbereiteten Schote komplett die schmeckbare Schärfe zu nehmen. Je größer die Zahl der Scoville-Einheiten ist, desto schärfer ist also die Schote. Beispiele: Gemüsepaprika hat einen Wert von 0 Scoville-Einheiten, Peperoni 100 bis 500, Tabascosauce 2500 bis 5000, reiner Cayennepfeffer 30- bis 50000 und Habaneros 100000 bis 500.000. Seit 2012 führt die Sorte Trinidad moruga scorpion die Rangliste der schärfsten Schoten der Welt an: Ihr Scoville-Grad liegt bei zwei Millionen.
Je kleiner, desto schärfer: Wie scharf einzelne Chilisorten sind, dazu lassen sich leicht Listen im Internet finden, zum Beispiel auf bei Chiliheads oder Hotpain. Beim Einkauf helfen Listen – siehe oben - oft nur bedingt weiter. Als Krücke kannst Du Dir folgende Faustformel merken: Je kleiner die Schote, desto größer ist mit hoher Wahrscheinlichkeit die Schärfe.
No pain, no gain - der Pepper-High-Effekt: Chili ist durch seine vielen Vitamine nicht nur gesund, sondern macht auch glücklich - wenn der Schmerz nachlässt. Wieso, das erklärt Peter Holzer, Professor für Neuropharmakologie an der Medizinischen Universität Graz, so: "Schärfe ist kein Geschmack, sondern eine Schmerzempfindung. Über die Hitzerezeptoren im Mund ausgelöst, bewirkt sie, wie jeder andere Schmerz, die Ausschüttung von Endorphinen im Gehirn." Scharfmacher wie Chili, schwarzer Pfeffer, Meerrettich und Ingwer bescheren uns also durch die ausgelöste Ausschüttung von des Glückshomons Endorphin einen Pepper-High-Effekt.
Doch zu scharf geworden? Einfach Wasser zugießen hilft nicht, da Capsaicin nur fett- und nicht wasserlöslich ist. Rücke der Schärfe also mit Fett zu Leibe, zum Beispiel mit Milch, Sahne, Crème fraîche, Sauerrahm oder bei asiatischen Gerichten mit Kokosmilch.
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Foto Chilis: Elle Hughes
Foto Mie-Nudeln: Markus Winkler