19|01|2018 Manchmal muss es eben Filet sein . . . aber wirklich nur manchmal. Die meiste Zeit richtet sich meine Fleischeslust beim Rind eher auf kernigere Steakzuschnitte wie Club-Steak, Côte de Boeuf und Entrecôte beziehungsweise auf Schmorfleisch aus der Schulter oder von Wade und Bein – aber manchmal packt sie mich dann doch - die Lust auf ein feinfaseriges und butterzartes Rinderfilet. Nach einer Rinderfilet-Abstinenz von gut zweieinhalb Jahren war’s jüngst mal wieder soweit und ein knapp über 600 Gramm schweres Mittelstück vom Rinderfilet wanderte für vier Personen in den heimischen Backofen.
Das beste Rinderfilet, das bei mir bislang unters Messer gekommen ist, stammte übrigens von einem Glanrind, einer vom Aussterben bedrohten alten Rinderrasse, deren rheinland-pfälzische Heimat an der Glanregion an der Nahe und in der Region Donnersberg liegt. Es mag wohl schon mehr als ein Jahrzehnt her sein, dass ich dieses Filetstück bei einem der wenigen Züchter, die diese seltene Rinderrasse noch halten und vermehren, gekauft und anschließend zubereitet habe – aber ein besseres Filet aß ich seither nie. Noch heute treibt es mir beim Gedanken an die Zartheit und den feinen würzigen Geschmack des Fleisches die Freudentränen in die Augen – und wahrlich, wahrscheinlich ist dies der gewichtigste Grund, warum es mich nur noch so selten nach diesem Fleischstück von einem anderen Rind gelüstet. Kaum wage ich zu hoffen, dass ich jemals hernach auch nur einmal noch einen solchen Filetgenuss erleben werde wie einst mit der Partie dem Glanrind – und jeder Nachfolger schmeckt mir so fahl, schlaff und hohl wie . . . Nein, nein, so schlimm ist’s selbstredend nicht. Auch Filet von anderen Rindern kann natürlich schmecken. Von daher: Keine Scheu vorm Filet, auch wenn’s nicht vom Glanrind stammt. Aber wenn – dann schnall Dich an und halte Dich fest!
Vorhang Zwischenakt
Rinderfilet - rückwärts gegart
Als Begleiter zum Rinderfilet mag ich Klassiker wie Herzoginnen-Kartoffeln, Kartoffelpüree oder – wie im aktuellen Fall – ein sahnig-rahmiges Kartoffelgratin. Dazu ein wenig Gemüse, zum Beispiel gekochte und geschmorte feine grüne Bohnen, das war’s. Stop, da wäre ja noch die Sauce – und bei der schätze ich in diesem Fall Zurückhaltung. Um den feingliedrigen Eigengeschmack des Filet nicht zu überdecken, treibe ich die Aromatisierung und Konzentration der Portweinsauce nicht auf die Spitze. Sprich: Ich köchele die Sauce nicht auf eine dickflüssige Konsistenz und Konzentration ein, sondern lasse ihr noch ein wenig mehr Fluss - das passt für meinen Geschmack besser zum Filet.
Nicht fehlen darf zum Rinderfilet ein feiner Rotwein – als Begleiter habe ich einen Spätburgunder Jahrgang 2013 vom Weingut Jakob Schneider in Niederhausen an der Nahe ausgesucht. Schnell vorneweg aber noch zwei Anmerkungen zur Zubereitung. Erstens: Für den krönenden pfeffrigen Touch auf dem Fleisch (nicht in der Sauce, dort kommt Langer Pfeffer zum Einsatz, sondern auf dem fertig gegarten Fleisch) sorge ich dieses Mal mit fermentierten schwarzen Pfeffer. Mehr zu diesem Rolls Royce unter den Pfeffern erzähle ich Dir unten nach dem Rezept.
Zweitens: In der Regel gare ich Rinderfilet rückwärts und bei Niedrigtemperatur (siehe den Exkurs unten), in vorliegenden Fall aber vorwärts und bei mittlerer Temperatur. Der Grund: Sowohl das Gratin als auch das Fleisch müssen in den Ofen – und ich hab‘ von denen nur einen im Haus. Da die Gartemperatur des Gratins (180 Grad) und die des mittels Niedrigtemperatur (80 Grad) zubereiteten Filet weit auseinanderliegen, wäre ich gezwungen, beide Komponenten nacheinander zu machen – und während die eine im Backofen ist würde mir die andere kalt. Die Lösung im vorliegenden Fall: Ich gare das Gratin im Ofen bei 180 Grad so gut wie fertig, dann brate ich das Filet in der Pfanne an, reduziere die Backofenhitze auf 140 Grad schiebe das Fleisch mit zum Gratin in die Backröhre. Fleisch und Kartoffeln können nun in wohliger Zweisamkeit dem perfekten Garpunkt entgegen kuscheln.
Rezept für Rinderfilet mit Portweinsauce und Kartoffelgratin
ZUTATEN | für 4 Pers.
Für das Kartoffelgratin:
- ca. 900 g große, halbfestkochende Kartoffeln
- 300 g Crème fraîche
- 250 ml Sahne
- ca. 3 EL Butter, zimmerwarm
- Muskat
- Salz
- schwarzer Pfeffer, frisch gemahlen
Für das Rinderfilet:
- ca. 600 g Rinderfilet aus dem Mittelstück
- 1 EL Butterschmalz
- einige Zweige Rosmarin
- einige Zweige Thymian
- 3 Knoblauchzehen, ungeschält
- Salz
Für die Portweinsauce:
- 1 Schalotte
- ½ TL braunen Zucker
- 1 TL Sherry-Essig (alt. Rotweinessig)
- 500 ml Rotwein
- 1 Fruchtstand vom Langen Pfeffer (alternaiv 4 schwarze Pfefferkörner)
- 1 kleines Lorbeerblatt
- 4 Pimentkörner
- 2 Wacholderbeeren
- 400 ml Tawny Portwein
- 400 ml Kalbsfond
- Salz
- einige Tropfen alter Aceto Balsamico
- ca. 40 g kalte Butter
ZUBEREITUNG | ca. 90 Min.
Kartoffelgratin
- Die Kartoffeln waschen, schälen in max. 2 mm dünne Scheiben hobeln. Von der Crème fraîche 4 EL beiseite stellen, den Rest mit der Sahne verquirlen. Eine große Auflaufform mit der weichen Butter großzügig ausstreichen und schichtweise und schuppenförmig mit Kartoffelscheiben auslegen. Jede einzelne Schicht mit ein wenig Muskat und ruhig etwas kräftiger mit Salz und schwarzem Pfeffer würzen und etwas von der Crème fraîche/Sahnemischung aufstreichen. Maximal vier Lagen Kartoffelscheiben pro Auflaufform aufschichten, auf die letzte Schicht zusätzlich zur Crème fraîche/Sahnemischung die zuvor beiseite gestellten 4 EL Crème fraîche aufstreichen.
- Die Form bei 180 Grad Ober-/Unterhitze auf die 2. Schiene von unten in den Backofen schieben. Die reguläre Zubereitungsart für das Gratin wäre es nun, die Form für ca. 50–60 Minuten im Backofen zu lassen, bis die Kartoffelschichten gut durch gegart sind. Sollte die Oberfläche bereits ausreichend gebräunt, die Kartoffeln aber noch zu bissfest sein, die Form mit Backpapier oder Alufolie abdecken. In Kombination mit dem Filet, das auch seinen Platz im Ofen beansprucht, gehe aber nun etwas abweichend vor: Warte, bis das Gratin fast fertig gegart ist, das ist ca nach 45 Min. der Fall. Dann reduziere die Hitze auf 140 Grad, setze das Gratin auf die unterste Backofenschiene und schiebe das Filet darüber ein. Filet und Gratin können nun gemeinsam im Ofen fertig garen - das wird nochmals ca. 20 Min. dauern.
Portweinsauce
- Nachdem das Gratin im Ofen ist, kannst Du Dich um die Sauce kümmern (oder selbstredend auch schon vorab, wenn Du magst). Die Schalotte schälen, in Scheiben schneiden und in einem Topf in wenig Butter hell anschmoren. Mit dem brauen Zucker bestreuen und noch 1 Min. weiter schmoren, dann mit dem Sherry-Essig ablöschen.
- Den Rotwein zusammen mit dem Fruchtstand des Langen Pfeffers, dem Lorbeerblatt, den Pimentkörnern und Wacholderbeeren in den Topf geben und auf ca. 200 ml einköcheln. Den Portwein dazugeben und nochmals auf die Hälfte reduzieren, dann den Fond dazugeben erneut auf ca. 200 ml einköcheln. Mit Salz, einige Tropfen eines alten Aceto Balsamico und gegebenenfalls etwas Pfeffer abschmecken und mit der in kleine Stücke geschnittenen kalten Butter aufschlagen.
Rinderfilet
- Das Filet mindestens 2 Stunden vor der Zubereitung aus dem Kühlschrank holen. Eine kurze Zeit, bevor das Gratin im Backofen fertig gegart ist, das Rinderfilet in einer Pfanne in Butterschmalz rundherum anbraten, bis es eine helle Bräune angenommen hat. Die Zweige Rosmarin und Thymian sowie die mit dem Handballen angedrückte Knoblauchzehen gleich um das Filet herum in die Pfanne geben und mit anrösten. Dann die Zweige und Knoblauchzehen in eine kleine Auflaufform legen, das angebratene Filet mit Meersalz würzen und auf die Zweige legen.
- Die Auflaufform in den Backofen schieben und bei 140 Grad Ober-/Unterhitze auf der 2 Schiene von unten bis zur gewünschten Kerntemperatur garen, was schätzungsweise 20 Min. dauern wird. Da das Fleisch noch dem Ausschalten des Backofens noch etwas nachzieht und in der Temperatur ansteigt, hole ich das Fleisch bereits bei einer Kerntemperatur von 53 Grad für Medium rare und 55 Grad für Medium aus der Röhre. Das Filet nun noch einige Minuten ruhen lassen, erst dann anschneiden.
Niedrigtemperatur- und Rückwärtsgaren
Service & Bezugsquellen
Nicht nur, aber besonders beim Garen von Filet empfehle ich zur Kontrolle der Kerntemperatur die Nutzung eines Fleischthermometers, denn bei einem so feinfaserigen und zugleich so teuren Fleischstück ist es besonders ärgerlich, wenn es weit über die Zieltemperatur hinaus gegart wird. Deshalb: Wenn Du noch keines hast, dann lege Dir unbedingt ein Fleischthermometer* zu, zum Beispiel hier*.
Fermentierter Pfeffer schmeckt grandios! Für diese Pfeffer-Spezialität werden frische Pfefferbeeren nicht getrocknet, sondern mittels der Zugabe von feuchtem Meersalzes fermentiert. Die Fermentation macht die Pfefferkörner nicht nur weich, so dass diese unzerkleinert gegessen werden können, sondern entlockt dem Korn auch neue Pfefferaromen. Hoch aromatisch, saftig, zart salzig, nur mäßig scharf und entfernt von einer leichten Lakritznote umspielt - ein Biss auf fermentierten Pfeffer zündet ein intensives Feuerwerk an Pfefferaromen im Mundraum. Er passt als abschließender Würz-Schliff unter anderem hervorragend zu allen herzhaften Eierspeisen, zu kurzgebratenem Fleisch oder Carpaccio. Zu bekommen ist fermentierter Pfeffer unter anderem hier.
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