Des Teufels kleine Biester: die Kirschessigfliege


Kopf der Drosophila suzukii / Kirschessigfliege.


02|02|2015   Sie marschierte überfallartig und überraschend ein, sägte in rauen Mengen besonders rote Weintrauben an und trieb landesweit vielen Winzern den Angstschweiß auf die Stirn: die Kirschessigfliege. „Dieses Biest werden wir nicht mehr los!“, raubte Dr. Georg Hill, Mitarbeiters des Dienstleistungszentrums Ländlicher Raum (DLR) Rheinhessen-Nahe-Hunsrück, in dieser Woche Winzern die Hoffnung, es bei der Kirschessigfliege nur mit einem einmaligen Phänomen zu tun zu haben. „Die Kirschessigfliege wird künftig Dauergast in den Weinbergen sein“, betonte der Rebschutzexperte bei der DLR-Wintertagung in Bad Kreuznach. Dort stellte er fast 400 Winzern vor, was bislang über den Zuwanderer aus Südostasien und mögliche Bekämpfungsmethoden bekannt ist - und das ist noch nicht allzu viel.


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Kirschessigfliege: "Dieses Biest werden wir nicht mehr los!"

Klar ist, was das winzige Tier 2014 bewirkte: Erstmals drang die nur zwei bis drei Millimeter große Kirschessigfliege bis weit in nördliche Weinanbaugebiete vor und machte sich dort als neuer Plagegeist einen unguten Namen. Die Fliege sticht gesunde Früchte (bevorzugt Kirschen, daher der Name) an und legt ihre Eier in das Fruchtfleisch ab. Aus diesen schlüpfen Larven, die in der Beere weitere Fraßschäden verursachen und dadurch die Bildung der gefürchteten Essigfäule extrem begünstigen. „Örtlich kam es in Rheinhessen und an der Nahe zu erheblichen Mengenverlusten besonders bei der Rebsorte Dornfelder. Auch die Qualität hat gelitten, weil die Trauben oft früher als geplant geerntet werden mussten“, so Dr. Hill.

Rebschutzexperte Dr. Georg Hill referiert im Dienstleistungszentrums Ländlicher Raum (DLR) Rheinhessen-Nahe-Hunsrück.
Volles Haus beim Vortrag von Dr. Georg Hill. Foto: Moderne Topfologie

Klar ist auch, wo die Wiege der Fliege steht: Drosophila suzukii, so der wissenschaftliche Name der Kirschessigfliege, stammt aus Südostasien und wurde 2008 erstmals in Kalifornien und Spanien nachgewiesen. 2009 gab es erste Funde in Italien, 2011 folgten erste Befallsmeldungen aus Österreich, der Schweiz und dem südlichen Deutschland. Der milde Winter 2014 spielte der Fliege beste Karten in die sechs Laufbeine: Die Population vermehrte sich rasant und verbreitete sich von Süddeutschland aus über die Pfalz und Rheinhessen bis an die Mosel.

Bewaffnet und legefreudig: das Fliegenweibchen

Essigfliegen sind dabei keine neuen Gegner in den Weinbergen, sondern auch in den deutschen Weinbauregionen seit jeher verbreitet. Allerdings: Im Gegensatz zur gemeinen Essigfliege verfügen die Weibchen der Drosophila suzukii über eine besondere Waffe: Sie haben einen scharf gezähnten Eiablageapparat, mit dem die Fliegen auch in unverletzte Früchte und Trauben mit dickeren Häuten eindringen können, um in diese Verletzung hinein ihre Eier abzulegen. Zudem macht die hohe Populationsrate die Fliege zu einem gefährliche Gegner der Weinbauern: „Die Fliege vermehrt sich zunächst außerhalb der Reben an Kirschen und Brombeeren und geht bei 55 bis 60 Grad Oechsle ab Mitte August auf die Trauben über“, so der Rebschutzexperte. 300 bis 400 Eier legt ein einziges Weibchen innerhalb von einer bis drei Wochen ab, rund ein bis drei Eier pro Frucht. Bereits nach zwei Tagen beginnen die geschlüpften Larven im Inneren der Frucht zu fressen, die Vollendung einer Generation ist bereits innerhalb von acht bis 14 Tagen möglich. Dieser schnelle Zyklus hat zur Folge, dass bis zu acht oder sogar mehr Populationen der Kirschessigfliege im Jahr zur Welt kommen, wobei die Lebensdauer einzelner Populationen im Extremfall bis zu zehn Monate betragen kann.

Scharfe Sache: Der mit Zähnen bewaffnete Eiablegeapparat von Drosophila suzukii.
Scharfe Sache: Der mit Zähnen bewaffnete Eiablegeapparat von Drosophila suzukii. Foto: Martin Hauser

Schlecht für die Winzer- und Obstbauern, denn die enorme Vermehrungsrate sorgt dafür, dass sich die Kirschessigfliege extrem schnell verbreiten, ansiedelt und in kurzer Zeit eine starke Schädigung der Früchte bewirken kann. Zu spüren bekamen dies 2014 besonders Rotweinwinzer, denn die Kirschessigfliegen zeigten 2014 eine besondere Vorliebe für Dornfelder, Portugieser und Regent, während sie Weißweinsorten eher umflog - wenn auch nicht ganz verschmähte: Grau- und Weißburgunder, Silvaner und Riesling wurden im vergangenen Jahr durch Drosophila suzukii nur wenig beschädigt, Müller-Thurgau, Chardonnay und Kerner blieben fast völlig verschont, nur relativ gering in Mitleidenschaft gezogen wurden der Spät- und Frühburgunder.

2014, das "Jahr der Fliege" - und was kommt jetzt?

Die gute Nachricht für Winzer ist: So schlimm wie 2014 wird Drosophila suzukii nach Einschätzung des Experten nicht immer wüten, denn es lagen besondere Außenbedingungen vor. Zum einen ließ die feucht-warme Witterung im Spätsommer 2014 die Population der Kirschessigfliege stark ansteigen - der Zuwanderer aus Südostasien mag es schließlich gerne feucht, warm und dunkel. Zum anderen sorgte die Witterung für ein grundsätzliches Essigfäule-Problem in den Weinbergen, was die Situation extrem verschärfte: „Denn Kirschessigfliegen werden vom Fäulnisgeruch beschädigter Trauben gezielt angelockt“, so Dr. Georg Hill.
Wie muss der Rebschutz im Jahr eins nach der Kirschessigfliege aussehen? Insektizide haben bislang Hill zufolge nur bedingt Wirkung gezeigt, ein Superlockstoff, um die Fliege aus den Weinbergen herauszulocken, liegt (noch) nicht vor. Die Empfehlungen des Experten: Bei allen Rotweinsorten müssen 2015 besondere Vorsichtsmaßnahmen hinsichtlich der Gesundheit und Hygiene im Traubenbereich getroffen werden. Als erste Maßnahme sollte (speziell beim Dornfelder) die Traubenzone beidseitig entblättert werden, weil die Kirschessigfliege besonnte, helle und warme Bereiche meidet. Eine luftige Laubwand, ein lichter Beerenbereich und eine niedrige Bodenbegrünung senke zudem das Risiko für einen Pilzbefall und die Ausbildung von Essigfäule - ein weiterer Pluspunkt im Kampf gegen die Kirschessigfliege, denn gärende Flüssigkeiten und der Essiggeruch locken die Fliegenweibchen gezielt an. „Deshalb sind auch alle Maßnahmen zur Traubenauflockerung vorteilhaft, um Verletzungen durch Abquetschen von Beeren zu vermeiden“, so Dr. Hill, der aus demselben Grund auch einen Schutz vor Vogel- und Wildfraß durch feinmaschige Netze empfiehlt. Dem Abholzen von Hecken, um den Kirschessigfliegen ihre Rückzugsorte zu entziehen, steht der Experte hingegen eher skeptisch gegenüber. Die Wirkung sei zweifelhaft, denn „Drosophila suzukii fliegt mit dem Wind kilometerweit“.

Das Kirschessigfliegen-Männchen.
Das Kirschessigfliegen-Männchen ist an den Flügelflecken zu erkennen. Foto: John Davis.


Dauerfrost könnte Drosophila suzukii etwas bremsen

Hoffnung hat der Rebschutzexperte noch, dass die Natur den neuen Schädling in die Schranken weist: Der Großteil der weiblichen Kirschessigfliegen überwintert in einem frostfreien Unterschlupf. Im Frühjahr werden die Tiere bei etwa 10 Grad Celsius aktiv. Eine längere Kälteperiode mit durchdringendem Bodenfrost im Februar könnte den Großteil der überwinternden Fliegen vernichten und eine Atempause für den Jahrgang 2015 bringen - mehr als eine solche aber auch nicht. „Denn dieses Biest werden wir mit Sicherheit nicht mehr los!“, mahnte Dr. Hill nachdrücklich. Selbst wenn Dauerfrost in einer Region die Population weitestgehend vernichte, werde der Wind Drosophila suzukii vom Süden her auch wieder herantragen - auch an die Nahe.

Foto oben: Kopf der Drosophila suzukii. |  Fotograf: Martin Hauser

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