28|02|2016 Tja, so ändern sich die Zeiten! Einst war Damhirsch ein echtes "Monarchen-Essen". Zur Zeit des Absolutismus kamen nur erlauchte Landesherren in den Genuss von Damwild, denn die Jagd auf das Hochwild war allein dem Adel vorbehalten. Das ist heute - den Revolutionären von damals sei Dank - anders. Auch ein Bürgerlicher wie ich darf Damwild, das den leicht zu merkenden wissenschaftlichen Namen Dama dama trägt, verspeisen. Um in den Genuss von Damhirsch, der im Verwandtschaftsvergleich deutlich größer als ein Reh, aber kleiner und vor allem leichter als ein Rothirsch ist, zu kommen, muss ich keine großen Jagdanstrengungen unternehmen. Bei mir reicht ein Besuch auf dem Wochenmarkt in Bad Kreuznach, wo ich Woche für Woche einen Stand finde, der ausschließlich mit frischem Damwild aus der Gehegehaltung handelt.
Zu einem echten familiären Essensklassiker hat sich bei uns ein Damwild-Ragout entwickelt, das speziell in der kalten Jahreszeit mindestens einmal auf den Tisch kommt. Dam- und Rotwild gehören beide zur Familie der so genannten "echten Hirsche". Das Fleisch vom Damwild ist fettarm und etwas zarter als Rotwildfleisch und hat, wenn es aus der Gehegehaltung stammt, einen im Vergleich nicht ganz so starken Wildgeschmack. Der feinwürzige Geschmack des Damwildes korrespondiert perfekt zu seiner feinen Faserstruktur. Diese ist dafür verantwortlich, dass ein Damwild-Ragout relativ schnell gegart ist. Während andere Gulasch- und Schmorgerichte bei mir zumeist im hohen ein- oder sogar zweistelligen Stundenbereich unbeaufsichtigt vor sich hin schmörgeln, werfe ich beim Damwild-Ragout zumeist schon nach 60 Minuten einen ersten kritischen Blick in den Topf und taste mich dann in 10-Minuten-Schritten an die perfekte Garung heran, um das Fleisch nicht zu mürbe werden zu lassen und den zarten Biss des feinfasrigen Fleisches zu erhalten. Dieser Punkt ist zumeist nach rund 90 Minuten erreicht.
Eine Besonderheit der Sauce ist die ausgeprägten feinfruchtige Aromatik, die durch den Apfel und besonders durch die Zitrone und Orange ergänzend zu den würzigen (Wald-)Aromen eingebracht wird. Unterstrichen wird diese durch die frische Fruchtigkeit der Preiselbeeren, während durch die Süße vom Marmelade und Sahne verführerische schmelzige Akzente in die Saucenkomposition gesetzt werden. Das alles steht dem zartgliedrigen Damwildfleisch ungemein gut und schmeckt "verDAMA-DAMA-damisch gut" - versprochen!
Tipp 1: Ein Festtagsschmaus wie dieser wird - logo - am besten mit einem nicht minder hochwertigen Wein vermählt. Beim jüngsten Kochen des Rezeptes habe ich zwei besondere Rotwein aus der Pfalz als Begleiter ausgewählt. Wie sich diese zum Damwild-Ragout geschlagen haben, das liest Du weiter unten im Wein-Tipp.
Rezept für Damwild-Ragout
Zutaten | für 5–6 Personen
- 1,6 kg Damakeule (alternativ Rehkeule oder -schulter)
- 500 g rote Zwiebeln
- 2 Möhren
- 1 Stange Lauch
- 1 Stück Knollensellerie
- 2 Knoblauchzehen
- 2 Scheiben Bauchspeck (ca. 50 g)
- 1 säuerlicher Apfel
- 10 Wacholderbeeren
- 6 Pimentkörner
- 1 TL Meersalz
- Schale einer ½ unbehandelten Zitrone
- Schale einer ½ unbehandelten Orange
- Saft 1 Orange
- 2 EL Mehl
- Butterschmalz zum Anbraten
- schwarzer Pfeffer, frisch gemahlen
- 2 EL Tomatenmark
- 0,75 l Rotwein
- 3 EL Preiselbeermarmelade
- 2 gestrichene EL Butter
- 2 Zweige Thymian
- ca. 600 ml Wildfond
- etwas Likörwein (Madeira oder roséfarbener Floc de Gascogne)
- 6 EL geschlagene Sahne
Zubereitung | ca. 1 St. plus ca. 90 Min. Garzeit
- Zunächst die Damakeule parieren und in Würfel schneiden. Diese sollten ungefähr doppelt so groß sein, wie man sie später gerne auf der Gabel hätte, also rund 4 x 4 cm. Die Zwiebeln und Möhren schälen, das Weiße vom Lauch und das Stück Knollensellerie schälen. Das Gemüse in nicht zu kleine Stücke schneiden, die ungeschälten Knoblauchzehen mit dem Handballen andrücken. Den Bauchspeck würfeln, den Apfel schälen, entkernen und ebenfalls würfeln. Die Wacholderbeeren und Pimentkörner zusammen mit dem Meersalz im Mörser zerdrücken. Mit einem Zestenschäler oder Trüffelhobel die Schalen einer halben Zitrone und einer Orange in Streifen schneiden, die Orange anschließend halbieren und auspressen.
- Die Dama-Würfel fein mit gesiebten Mehl bestäuben und in mehreren Partien hintereinander am besten in einem gusseisernen großen Topf in Butterschmalz von allen Seiten scharf anbraten. Aus dem Topf heben, mit ein wenig grob gemahlenen schwarzen Pfeffer würzen und beiseite stellen. Die Bauchspeckwürfel im Topf anbraten. Die Gemüsewürfel, Knoblauchzehen und Apfelstücke dazugeben und weitere 2 bis 3 Minuten anschmoren. Das Tomatenmark und die Wacholderbeere-Pimentkorn-Salzmischung dazugeben und 1 Minute mit anrösten. Mit 150 ml Rotwein ablöschen. Einköcheln. Nochmals 100 ml Rotwein angießen und wieder einköcheln. Gegen Ende der Reduzierzeit die Fleischwürfel auflegen. Die Preiselbeermarmelade, die Schalen der Zitrusfrüchte und den Saft der Orange in den Topf geben, mit dem Wildfond und so viel Rotwein aufgießen, dass das Fleisch gerade so bedeckt ist. Zum Kochen bringen, dann die Hitze stark reduzieren, 2 gestrichene EL Butter dazugeben und auf sehr kleiner Flamme und mit geschlossenem Deckel rund 90 Minuten garen.
- Nach dem Ende der Garzeit die Fleischwürfel aus der Sauce nehmen und warm stellen. Die Sauce zunächst durch ein grobes Spitzsieb, dann durch ein feinmaschiges Sieb passieren. Zurück in den Topf geben. Thymianzweige einlegen und die Sauce anziehen lassen, bis sie dicklich wird. Mit Salz und Pfeffer und gegebenenfalls einem Schuss Likörwein (Madeira oder Floc de Gascogne) abschmecken, die Fleischwürfel wieder einlegen und in der Sauce nochmals erwärmen.
- Die Sahne schlagen. Beim Anrichten auf jeden Teller einen EL Sahne in die Sauce setzen und 1 TL Preiselbeermarmelade auf die Sahne geben.
Noch ein wenig Wildfond dazu, dann kann das Schmoren des Damwild-Ragouts beginnen. |
Beilagen
Zum Ragout passen als Beilage zum Beispiel Servietten- oder Semmelknödel, Spätzle, Schupfnudeln oder breite Bandnudeln, Orecchiette, Trofiette oder Torchietti. Wer mag, der darf auch gerne ein paar in Scheiben geschnittene und angebratene Steinpilze dazu servieren. Sollen es Knödel sein? Hier findest Du mein Rezept für Serviettenknödel.
Im aktuellen Fall ist bei mir ein Burgunder aus meiner heimatlichen Weinbauregion in den Topf gewandert, und zwar ein 2013er Spätburgunder trocken des Weingutes Sitzus aus Langenlonsheim an der Nahe. Der im großen Holzfass aus heimischer Eiche ausgebaute Spätburgunder ist ein feiner, leichter und rebsortentypischer Vertreter seiner Traubenart, der über eine zarte Würze und einen feinen Waldbeerenduft verfügt. Der Wein schlägt mit einen maßvollen Preis von knapp über 8 Euro zu Buch und darf auch deshalb ohne große Gewissenbisse in eine feine Sauce transformiert werden.
Transformation abgeschlossen, Sauce fertig. Und was nun dazu trinken? Wandert Burgunder in den Topf, ist es naheliegend, auch einen Burgunder dazu zu genießen. Allerdings: Die Sauce hat durch die Beigabe der Gemüse, des Bauchspecks und der Gewürze und Zitrusfrüchteschalen, durch die Konzentration der Aromen und durch die "Krönung" mit einem Klecks Sahne und Preiselbeermarmelade ganz gehörig an aromatischem Gewicht und Vielschichtigkeit, Körper und Schmelz zugelegt. Wer als Weinbegleiter demgegenüber auftrumpfen möchte, braucht ein großes Maß an Komplexität, Stoffigkeit und Dichte - ein größeres, als es der verkochte Wein mitbringt. Mein Wahl beim jüngsten Zubereitung des Damaragouts fiel deshalb auf zwei Weine aus der Pfalz, und zwar auf den Spätburgunder König Barrique trocken 2013 und die Königs-Cuvée Barrique trocken 2013.
Beide Weine stammen vom "Alten Schlößchen" im pfälzischen Sankt Martin und tragen in ihrem Namen den Titel König. Warum? In Anlehnung an das Schachspiel teilt das Gut seine Weine von der Basis bis zur Spitze in die Kategorien Bauer, Springer, Turm und König ein. Die beiden oben genannten "König-Weine" gehören somit zu den Premiumweinen des Gutes, für deren Erzeugung Winzerfamilie Schneider unter anderem nur streng selektiertes Lesegut aus den besten Parzellen des Jahrgangs verwendet. Ziel in dieser Klasse sind Spitzenweine mit internationalem Zuschnitt und Anspruch - gute Voraussetzungen also, um das spitzenmäßige Dama-Ragout adäquat begleiten zu können.
Der Spätburgunder König Barrique trocken 2013 bringt mit 14 Volumenprozent Alkohol und einer 16-monatigen Reifung im Barrique schon einmal genügend "ausdefinierte Muskeln" mit, um diesem Anspruch gerecht zu werden. Der Wein steht mit einem satten Granatapfelrot im Burgunderglas und verströmt einen betörenden Duft nach kleinen Walderdbeeren, einer Spur Kirsche, Zedernholz, Mandeln und weißem Pfeffer. Auf der Zunge setzt sich die ausgeprägte Walderdbeeren-Aromatik fort, die den Mundraum in zartes Rot taucht. Hinzu gesellen sich grüne Einsprengels von Paprika und zartbraune Tupfer von Gewürznelke. Toll dabei: Trotz der langen 16-monatigen Reifung im Barrique halten sich die Röst- und Holzaromen vornehm im Hintergrund und schmiegen sich nur sanft an die Fruchtaromen - so das die feingliedrige Spätburgunderart bestens erhalten bleibt. Angefeuert wird die Aromatik durch eine feinen Nebel an Tannin. In Kombination mit der Säure verschafft dieser Gerbstoffenebel dem Wein am Gaumen einen mittellangen, lebendigen und frischen Abhang.
Mein Fazit: Ein Spätburgunder mit Klasse und Rasse - der mit einem Preis von unter 13 Euro unheimlich viel Wein fürs Geld bietet. Ich habe den Wein (Alk. 14 % vol.; Restzucker 0,4 ; Säure 4,6) über drei Tage aus der geöffneten Flasche probiert und dabei keinen Verlust an Fruchtigkeit und Finesse feststellen können. Mein Wunsch: Ein im Nachhall etwas grobkörnigeres Tannin, das dem Wein etwas mehr Raum für Fruchtsüße und Schmelz lässt.
Ebenfalls mit 14 Volumenprozent Alkohol und einer 16-monatigen Reife im kleinen Eichenholzfass steigt die 2013er Königs-Cuvée Barrique trocken (Restzucker 0,6; Säure 5,4) in den Ring. Die Cuvée aus den Rebsorten Spätburgunder, Dornfelder und Cabernet Dorsa steht rubinrot im Glas und lässt es bereits in der Nase so richtig krachen. Der Wein duftet opulenter nach roten Früchten, nach Crème de Cassis, Wildkirsche, Walderdbeere und Hagebutte. Verwoben mit diesen Fruchtaromen sind Düfte von roter Paprika und Lorbeerblatt und Zedernholz sowie Röstaromen. Kraftvoll und samtig rollt der Wein über die Zunge und entrollt dabei neben den fruchtigen und würzigen Komponenten eine zarte Schicht von Edelbitterschokolade, in die getrockneten Beerenfrüchte, Sprengsel von Haselnüssen und hier und da Graphit-Abrieb und Meersalzkörner, die nach frischen Jod duften, eingelassen sind. Unter dieser fruchtigen und schokoladigen Schicht vibriert eine frische Säure, die dem dichten und muskulösen Wein in Kombination mit dem Tanninnebel einen lebendigen und frischen Abgang beschert. Im Vergleich zum Spätburgunder König Barrique sind die Gerbstoffe bei der Cuvée körniger - im Abgang könnte für meinen Geschmack die Phenolnote zugunsten der Früchtsüße aber noch etwas weiter "zurückgeschraubt" werden.
Fazit: "Das ist 'mal ein Rotwein aus Deutschland!" lautete die erste spontane und begeisterte Reaktion einer Mitverkosterin nach dem ersten Schluck Königs-Cuvée Barrique. Dem kann ich mich anschließen. Die Cuvée, die für knapp unter 13 Euro pro Flasche das Weingut verlässt, hat tatsächlich internationales Format, erinnert an eine Vermählung eines roten Burgunders mit einem Midi-Wein aus dem mediterranen Südfrankreich und demonstriert auf beeindruckende Weise, welches Potential in den immer noch selten anzutreffenden roten Cuvée-Weinen aus deutschen Landen steckt.
Noch nicht beantwortet ist die Frage, welchen der beiden Weine ich zum Dama-Ragout bevorzuge. Meine klare Empfehlung: Die Königs-Cuvée Barrique trocken, die ausreichend Kraft und aromatische Kompexität mitbringt, um der tiefgründigen Ragoutsauce Paroli bieten zu können. Auch der Spätburgunder König Barrique hat das Zeug dazu, Wild zu begleiten. Zu diesem Roten empfehle ich aber eher ein Gericht mit einer leichteren und Sauce, so beispielsweise die Medaillons vom Soonwaldhirsch mit Hagebuttensauce, Waldpilzen und Laugenbrezelnrösti nach einem Rezept, das Koch Franz Xaver Bürkle (einst Akteur in der TV-Sendung VOX Kochduell) hier im Blog veröffentlicht hat.