07|07|2016 Der Deutsche hat - frei heraus gesagt - oft gehörig einen an der Klatsche. Ich darf das sagen, denn ich bin einer und nehme mich von dem geäußerten Urteil auch nicht aus. Ein Beispiel für die Verschrobenheit meiner Landsleute ist das tief verankerte Misstrauen, ach, was sage ich, die tiefgreifende Verachtung gegenüber Weißwein-Cuvées. Beim Rotwein, mon dieu, wen schert’s! Da kräht doch kein Hahn danach, ob der aus fünf oder 15 verschiedenen Rebsorten verschnitten ist. Aber beim Weißwein, besonders bei dem aus dem eigenen Land, da versteht der Deutsche keinen Spaß. Rebsortenrein muss er sein, der deutsche Wein. Reiner Riesling, unverfälschter Weißburgunder, purer Silvaner. Wirkt doch sofort verdächtig, wenn keine Rebsorten-Angabe auf der Flasche steht. Und kommt der Weintrinker dann auch noch dahinter, dass in derselben ein Rebsorten-Verschnitt steckt, dann ist der Ofen sofort aus. „Untrinkbar! Nie und nimmer pack‘ ich den an! Das kann nicht schmecken!“
Ausmisten! Wir vernichten Vorurteile rund um die Cuvée
Mein geneigter Weinfreund, wenn Du da nicht mal einem (doppelten) Trugschluss aufsitzt. Eines solltest Du vorab schon einmal wissen: Dein Rebsorten-Reinheitsverdikt steht auf tönernen Füßen. Fakt ist: In viel mehr Weißweinen, als Du denkst, steckt eine Cuvée drin - auch wenn das so nicht auf dem Etikett steht. Denn vor einem Verschnitt schützt Dich die Rebsorten-Angabe nicht! Das deutsche Weingesetz erlaubt es, dass einem Wein bis zu 15 Prozent einer anderen Rebsorte zugesetzt werden darf, ohne dass dies auf dem Etikett vermerkt werden muss - der Fachbegriff dafür lautet "bezeichnungsunschädlicher Verschnitt". Sprich: Steht auf einer Flasche Riesling, reichen für die Legitimation dieser Rebsortenangabe 85 Prozent Riesling aus - der Rest kann beispielsweise Gewürztraminer sein. Ätsch! Damit - oh Du misstrauischer Cuvée-Verächter - sei Dir schon einmal vorab etwas Vorurteilswind aus den Segeln genommen. Weißwein-Verschnitte können nicht schmecken? Ha, wahrscheinlich trinkst Du mit Wohlgenuss schon jahrelang welche, ohne es zu wissen.Drei Weißwein-Cuvées Jahrgang 2015 von drei Naheweingütern. |
Trugschluss Nummer zwei: Ein Verschnitt von Weißweinen kann per se nicht so gut schmecken wie ein reinsortiger Wein. Tatsächlich? Ja, ich räume ein, in begrenzten Maßen kann ich das Naserümpfen zunächst nachvollziehen. Es stimmt: Während das französische Wörtchen Cuvée irgendwie vornehm klingt, hat die bei uns gebräuchliche Übersetzung Verschnitt so gar nichts Anheimelndes. Verschnitt, aua, da steckt ja Schnitt drin. Und der bereitet Schmerzen, wenn er den eigenen Daumen erwischt. Der Verschnitt-Wein dann wohl auch, oder? Verschneiden, dieser Begriff ruft sogleich Wortassoziationen zu vermischt und vermengt hervor, und von dort aus ist es nicht mehr weit bis zu wild und ziellos gemixt oder ohne Sinn und Verstand zusammengewürfelt. Doch festzuhalten ist: das genaue Gegenteil ist bei der Kunst der Cuvéetierung der Fall. Die dem Verschneiden zugrundeliegende Idee ist es, die Qualität des fertigen Produkts zu erhöhen. Die fertige Cuvée soll in der Summe der Teile deutlich mehr Genuss bieten als die verschiedenen Rebsorten alleine. Um dies zu erreichen, ist vom Winzer viel Sachverstand und Fingerspitzengefühl, viel Wissen und sensorisches Können gefragt. Jede Rebsorte hat ihre Stärken, aber auch ihre Schwächen. Bei der Vermählung der Sorten geht es nun darum, diese so zu kombinieren, das die Stärke der einen Sorte die Schwäche der anderen ausgleicht. Beispiel: Die Weißweinsorte Müller-Thurgau (Rivaner) ist relativ fruchtig, durch die dezente Säure aber auch relativ mild. Nachteil: die Frische des Weines geht mit der Zeit relativ schnell verlosen. Hier kann der Riesling helfen, der durch seine markantere Säurestruktur für mehr Pep und Lagerfähigkeit sorgen kann. Ein Anteil Silvaner trägt dazu bei, die Erdigkeit und Mineralität der Cuvée zu erhöhen. Fehlt noch etwas Fruchtausprägung? Hier kommt vielleicht Scheurebe in Spiel, die zusätzliche frische und fruchtige Aromen und einen Hauch exotischer Gewürze ins Spiel. Sind die Rebsorten dann optimal vermählt, dann schmeckt die Cuvée besser und vielschichtiger als jede Partie für sich.
Im Test: Weißwein-Cuvées von der Nahe
Immer noch nicht überzeugt? Dann lege ich Dir dringend ans Herz, einfach mal einige der aktuell erzeugten Weißwein-Cuvées zu Probieren und sich beim Urteil vom Geschmack und nicht durch die Angaben oder Nicht-Angaben auf dem Weinetikett leiten zu lassen. Mein Eindruck ist: In den vergangenen Jahren weht ein dezenter Wind des Wandels durch die deutschen Weinregionen. Immer mehr zumeist junge Weinmacher trauen sich, Weißwein-Cuvées in die Flasche zu füllen - und immer mehr junge, aber auch ältere Weintrinker legen ihre Scheu ab, probieren die Rebsorten-Kompositionen und finden Gefallen daran. Einige dieser Cuvées aus meiner Heimatweinbauregion Nahe möchte ich hier vorstellen und dringend zum Probieren ans Herz legen.Einfach nur "weiß" - aber höchst aromatisch
Einfach nur „blanc“ heißt der Wein, durch den mein Interesse für die neue Generation der Weißwein-Cuvée vor einiger Zeit angestoßen wurde. Schöpferin des Weines ist Nahewinzerin Anette Closheim, die im über 150 Jahre alten Weingut ihrer Familie in Langenlonsheim ihre eigene Weinlinie parallel zu der ihres Vaters ausbaut. Mit ihrer aus insgesamt zehn Weinen bestehenden Weinlinie (sechs Weißweine, drei Rotweine, ein Rosé) machte sie schnell von sich Reden. Als erste Winzerin wurde sie von der Fachzeitschrift Weinwelt mit der Auszeichnung „Riesling-Entdeckung des Jahres“ bedacht.Anette Closheim |
Einen besonderen Ruf erarbeitete sich die einstige Produktmanagerin von Single Malt Whiskeys und Premium Wodkas zudem mit ihren Weinen aus der Rebsorte Sauvignon Blanc. Gleich vier Mal in Folge sicherte sie sich beim regionalen Vorentscheidung der Sauvignon blanc Trophy für die Nahe das Siegertreppchen. Als ich den „blanc 2014“ erstmals Mal probierte, führte mich dieser Einstiegswein in das Weißweinsortiment Anette Closheim zunächst buchstäblich an der Nase herum. Der Duft nach Stachelbeeren ließ mich sofort den Rebsortentipp Sauvignon blanc abgeben - doch der folgende Eindruck des Weins am Gaumen wollte diese Einschätzung nicht eindeutig bestätigen. Dort trumpfte der leichtfüßig und beschwingt daherkommende Sommerwein mit Noten von Quitte und Johannisbeere, grünem Apfel und einer feinen Muskatnote auf. Eine schnelle Recherche auf der Homepage der Winzerin bestätigte meinen nun aufkeimenden Verdacht: der „blanc“ ist kein Reinblüter, sondern ein Mischling aus Scheurebe und Bacchus, Riesling und Silvaner. Nicht schlecht, Herr Specht - zumal zu dem sehr konsumentenfreundlichen Preis von 6,80 Euro die Flasche! Noch oft schraubte ich im vergangenen Jahr einen „blanc“ auf - und auch der Nachfolgejahrgang 2015 der Weißwein-Cuvées ist ohne Fehl und Tadel. Bacchus und Scheurebe geben im trocken ausgebauten „blanc“ den Ton an und sorgen mit ihrem Aromenspiel dafür, dass die Cuvée als kleine Schwester des Sauvignon Blanc durchgehen. Zu je rund 20 Prozent sind Riesling und Silvaner am Rebsortenverbund beteiligt. Stachel- und Johannisbeere, Holunderblüten und ein Hauch exotischer Gewürze springen einem aus dem Glas entgegen, am Gaumen gesellen sich Aromen von Quitte und Mirabelle dazu, die von einer feinen Würze unterlegt werden. Im Abgang brechen sich Zitrusfrüchte, grüner Apfel und grasige Noten Bahn und werden von einer akzentuierten Säure weit getragen.
„Bacchus ist eine tolle Rebsorte, die aber reinsortig ausgebaut so gut wie nicht gefragt ist“, erzählt Anette Closheim. „Wenn die Leute Bacchus blind probieren, dann sagen die meisten: Der schmeckt ja“ Hören sie dann aber, dass dies Bacchus ist, dann sagen sie: Hm, lieber doch nicht.“ Um der Kreuzung Silvaner und Riesling plus Müller-Thurgau eine neue sichere Heimstatt zu geben, machte sich die Winzerin auf die Suche nach Vermählungspartnern, die zum aromatisch-fruchtigen und blumigen, von einer Spur Muskat durchzogenem aber oft etwas säurearmen Bacchus passen. Partner Nummer eins für den auch Frühe Scheurebe genannten Bacchus ist die Scheurebe. Die bukettstarke Sorte verstärkt das vielschichtige und rassige Aromenspiel, der Duft nach Johannisbeeren wird betont und Noten von Grapefruit und exotischen Gelbfrüchten kommen hinzu. Der Riesling bringt neben seinen Apfel- und Zitrus-Anklängen zuvorderst die feine Säure und Rasse in die Ehe mit ein, der Silvaner sorgt für eine feine Würze und gute Erdung der Cuvée.
„Zusammen erzeugen die vier Rebsorten einfach ein tolles und variantenreiches Aromengeflecht“, so die Winzerin, die es schätzt, mit dem „blanc“ bei Kunden einen Aha-Effekt zu erzeugen. „Es macht einfach Spaß, für die Cuvée mit den Potentialen der vier weißen Rebsorten zu spielen und aus ihnen einen filigranen, aber nicht zu komplizierten Wein zu erzeugen, der den Kunden zum Essen, aber auch solo schmeckt.“ Um dies zu erreichen, legt die Langenlonsheimerin besonderes Augenmerk auf die Gesundheit der für die Cuvée ausgewählten Trauben und auf eine gekühlte Vergärung im Edelstahlfass, um Frische und Frucht im Wein zu unterstreichen. Zugleich wird der Wein bewusst trocken ausgebaut - der „blanc“ 2015 bringt nur rund 5 Gramm Restzucker mit. Damit grenzt er sich deutlich von dem vielfach gebräuchlichen restsüßen Ausbau von Bukett-Rebsorten ab und liegt ganz auf der modernen Linie der gesamten Closheim-Kollektion, denn die Winzerin mag ihre Weine „lieber ein bisschen markanter als weichgespült“ - übrigens eine Einstellung, der ich mich voll und ganz anschließen mag.
Mit der Cuvée "blanc" knüft Anette Closheim zudem an alte Weinbautraditionen an und setzt mit modernen Mitteln eine An- und Ausbaumethode fort, die speziell zwischen dem Ende des 19. Jahrhunderts und der Mitte des vergangenen Jahrhunderts an der Nahe verbreitet war. Nachdem Ende des 19. Jahrhunderts die Reblaus-Seuche auch an der Nahe gewütet hatte, wurden dort in erster Linie weiße Rebsorten neu angepflanzt, und zwar verbreitet im so genannten Gemischten Satz. Sprich: Die Reben wurden nicht sortenrein in einen Weinberg gesetzt, sondern Silvaner und Riesling, Gewürztraminer und Elbling standen dort in bunter Sortenmischung. Aus den gemeinsam gepflegten, geernteten, gepressten, vergoren und ausgebauten Trauben wurde dann eine Weißwein-Cuvée - ebenfalls Gemischter Satz genannt - erzeugt. Von Anfang an landete bei dieser Methode also alles „in einem Topf“. Im Unterschied dazu ist das Vorgehen bei der Erzeugung der heutigen Weißwein-Cuvées differenzierter. Die Rebsorten stehen sortenrein in den Weinbergen und werden dort entsprechend ihrer jeweiligen Ansprüche separat angebaut, gepflegt und geerntet. Auch beim Keltern und Vergären bekommt jede Sorte eine Solobehandlung. Erst danach und vor der Flaschenfüllung werden die Weißweinsorten dann primär nach sensorischen Gesichtspunkten zu einer Cuvée vermählt. Damals wie heute ist eine Zielsetzung jedoch identisch: Die Rebsorten wurden und werden zusammengeführt, damit die Stärke der einen Sorte die Schwäche der anderen ausgleicht und das Endprodukt in der Summe der Teile vielschichtiger schmeckt und mehr Genuss bietet.
Verführerische Einladung zum "Schäferstündchen"
Vor der unteren Nahe, und zwar aus dem VDP Weingut Johann Baptist Schäfer aus Burg Layen, stammt eine weitere Weißwein-Cuvée, die schon im Namen vorschlägt, zu welchen Anlass sie genossen werden darf: „Schäferstündchen“. „Der Wein darf natürlich auch zu vielen anderen Gelegenheiten getrunken werden“, erläutert Winzer Sebastian Schäfer schmunzelnd.Sebastian Schäfer |
„Schäferstündchen“, dieser Name passt perfekt zu der trockenen Cuvée aus Silvaner, Scheurebe und Riesling, denn er spielt nicht nur mit dem Familiennamen des Erzeugers, sondern lässt vor dem geistigen Auge zugleich Stimmungsbilder entstehen, die sowohl den Inhalt der Flasche charakterisieren als auch die Gelegenheiten beschreiben, zu dem dieser Wein der passende Begleiter ist. Schäferstündchen, das klingt nach Lebenslust und zart aufwallendem Gefühlsüberschwang, nach feinem (Liebes)Rausch und unbekümmerten intimen Freuden - und genauso unbekümmert, aufwallend, berauschend und zartgliedrig ist der Wein: die Komposition aus rund 70 Prozent Silvaner, 20 Prozent Scheureben und 10 Prozent Riesling schmeckt extrem frisch, fruchtig und leichtfüßig (11,5 Vol. % Alk.). Der Silvaner verankert die Cuvée durch eine Spur Erdigkeit und Mineralität, Scheurebe und Riesling verleihen ihr Flügel durch das animierende Spiel der Fruchtaromen (weiße Johannisbeere, Zitrus, grüne Birne, Minze, Limette, Pampelmuse, im Nachhall auch Heu und Brennnessel) und eine feinnervige Säure, die dem Wein eine trinkanimierende Frische verpasst.
Anknüpfungspunkt für die Cuvée, die 2012 Premiere feierte und zum Erhalt von Frische und Fruchtspiel komplett im Edelstahlfass ausgebaut wird, ist die Tradition der Silvaner-Erzeugung im Weingut Johann Baptist Schäfer. Mitte des 20 Jahrhundert war der Silvaner die wichtigste deutsche Rebsorte - und auch an der Nahe war der größte Teil der Rebfläche mit Silvaner bestockt. Das änderte sich im Verlauf der vergangenen Jahrzehnte und speziell durch die Renaissance des Rieslings, der heute den Rebsortenspiegel an der Nahe anführt und auf fast 30 Prozent der gesamten Rebfläche angebaut wird. Erst auf Platz vier folgt mit einem Anteil von rund 6,5 Prozent der Silvaner. „Früher bauten wir den Silvaner auch reinsortig aus, haben dann aber immer stärker bei den Kunden einen Interessenwandel festgestellt“, erzählt Sebastian Schäfer. „Die Nahe steht heute im Bewusstsein der Kunden primär für exzellente Rieslinge. Wenn diese besondere Silvaner suchen, dann schauen sie eher nach Franken oder Rheinhessen.“
Was aber mit den Silvaner-Trauben des Gutes machen? Für Sebastian Schäfer war klar: es ist Zeit für ein „Silvaner-Facelifting“. „Bei Proben im Keller verpassten wir dem Wein einfach verschiedene Beigaben anderer weißer Rebsorten und stellten fest, dass eine Kombination mit der fruchtigen Scheurebe und dem rassigen Riesling einen tollen Wein ergibt.“ Nachdem der Entschluss feststand, ab sofort eine Weißwein-Cuvée ins Rennen zu schicken, musste nur noch ein passender Name her. Die fast schon genial zu nennende Idee, die Cuvée „Schäferstündchen“ zu taufen, steuerte schließlich Sebastian Schäfers Frau bei. Vollendet wird das Vermarktungspaket durch die Etikettengestaltung, die das Bildnis eines Schäferstündchens aus dem 17. Jahrhundert nutzt, und die Kombination mit einer Strophe aus Friedrich Schillers überschwänglich-bacchantischem Gedicht „Die Entzückung an Laura“, das in der „Visitenkarte“ zur Cuvée zitiert wird.
Das "Schäferstündchen"-Etikett in seiner vollen Pracht. |
Das „Schäferstündchen“, das mit 7,50 Euro die Spitzflasche zu Buche schlägt, ist ein einnehmendes „Gesamtkunstwerk“, bei dem Inneres (der Wein) und Äußeres (Namensgebung und Etikettengestaltung) perfekt zusammen passen. Der Cuvée gelingt zudem ein kleiner Spagat: Sie ist unmissverständlich zum unbekümmerten und genussvollen Zechen gedacht, spiegelt aber zugleich auch die Qualitäts- und Weinbauphilosophie von Sebastian Schäfer wider, der großes Augenmerk auf das Herausarbeiten des individuellen, vielschichtigen und verspielten Charakters der Weine legt - und zwar vom Gutswein bis zum Spitzengewächs des Hauses. „Vom trockenen Basiswein bis zum Großen Gewächs und zur edelsüßen Riesling-Kathedrale - mein Herz schlägt für die gesamte Bandbreite der Weine“, so der Nahewinzer. Und das schmeckt man dem gelungenen „Schäferstündchen“ deutlich an.
Trink doch mal "Mahlzeit!" zur Mahlzeit
Bereits seit einigen Jahren erfolgreich auf dem Weg der Cuvée-Bereitung unterwegs ist Winzer Martin Korrell vom Weingut Korrell Johanneshof. So vermählte der Winzer aus Bad Kreuznach-Bosenheim für seinen trockenen „Korrell weiß“ Grau- und Weißburgunder mit Riesling und für den Wein „Heimat“ wurden Riesling und Silvaner, Weißburgunder und Müller-Thurgau kombiniert.Martin Korrell |
An diese Weine knüpft der mit dem Jahrgang 2015 neu aufgelegte Weißwein „Mahlzeit!“ an - eine Cuvée, dessen Name Programm ist: „Wir haben hier eine leichte, unkomplizierte Einstiegscuvée, die sich hervorragend als Essensbegleiterin eignet - und das nicht nur wegen der Aromatik“, so Korrell, „sondern auch wegen des niedrigen Alkoholgehaltes. Da kann man auch schon mal mittags zum Essen ein Glas von trinken.“ Der Nahewinzer schätzt das kreative Spiel mit den Rebsorten. „Bei der Cuvée-Erzeugung lässt es sich sehr schön mit den Rebsorten und ihren jeweiligen Eigenschaften und Charakteristika spielen. Zudem bietet die Vermählung die Möglichkeit, an den verschiedenen Stellschrauben zu drehen. Je nach Auswahl der Cuvéepartner und der je Sorte zugefügten Weinmenge lassen sich zum Beispiel sehr zielgerichtet der Jahrgangstyp herausarbeiten, die Vision von einem ‚Wunschwein‘ umsetzen und auch Ecken und Kanten betonen, um den Weinen Charaktertiefe zu geben.“
Leicht und nicht zu alkohollastig sowie ein guter Essensbegleiter, der auch solo gut trinkbar ist, von dieser Weinvision geleitet hat Korrell beim „Mahlzeit!“ drei Rebsorten, und zwar Rivaner (Müller-Thurgau), Weißburgunder und Riesling. Die Cuvée, deren Reben auf Nahekies und Tonmergel wurzeln, kommt sehr leicht und beschwingt daher (11,5 Vol. % Alk.) und verströmt einen feinen Duft nach Limette und grünem Apfel. Am Gaumen umschmeichelt eine leichte Süße (5,8 g) die Geschmacksknospen, die durch eine feine Säure (6,4 g) abgefedert wird. In das Spiel der Aromen mischen sich hier unter anderem Zitronengras, gelbe kanarische Melone und eine dezente Muskateller-Note. Keine Frage: Mit dieser körperlichen und aromatischen Ausstattung passt die klassisch angelegte Weißwein-Cuvée ebenso bestens zur leichten Sommerküche mit Fisch, Pasta und Salaten wie zu einem Steak vom Holzkohlegrill oder scharf angebratenen Garnelen. Angenehm „leichtgewichtig“ ist auch der Preis der Cuvée, der bei 7,50 Euro pro Spitzflasche „Mahlzeit!“ liegt.
Eine Burgundercuvée zum Reinsetzen: „Steinmauer“
Mit einer Cuvée im Einstiegssegment seiner Weinkollektion gibt sich Martin Korrell allerdings nicht zufrieden. Im Zuge der in den vergangenen Jahren im Weingut vollzogenen Stilbildung und Sortimentsstraffung erblickten mit dem Jahrgang 2015 zwei „Verschnittweine“ das Licht der Welt, die eindeutig in der Oberklasse mitmischen.Wein Nummer eins ist der „Steinmauer“, eine Burgunder-Cuvée aus Weiß- und Grauburgunder sowie Chardonnay. Die Rebstöcke für diese in der Oberklasse angesiedelten Burgunder-Cuvée (15 Euro) stehen in der Lage Paradies unterhalb der Steinmauer mit dem weithin sichtbaren Schriftzug Korrell (daher der Namen für die Cuvée). Die Trauben wurden mit niedrigem Ertrag selektiv von Hand gelesen, nach 24 Stunden Maischestandzeit behutsam gepresst und teils im Edelstahl, teils in 500-Liter-Holzfässern in Erst- bis Vierbelegung ausgebaut (60 % Edelstahl, 40 % Holz). Die kraftvolle, gut strukturierte Cuvée verströmt einen animierenden Duft nach reifer Birne und saftiger Aprikose und entfaltet am Gaumen neben den Fruchtnoten zarte, bestens integrierte Holz- und Vanille-Aromen. Dezente Spuren von Tannin und eine funkelnde Säure (7,2 Gramm) rüsten den maskulinen, kräftigen Körper (13,5 Vol. Alk.) ein und verleihen der Cuvée einen beeindruckenden Auftritt.
Aus Vier mach Eins: Rieslingcuvée aus Premiumlagen
Wein Nummer zwei trägt den Namen „Von den großen Lagen“, und mit diesem wagt Winzer Martin Korrell sozusagen eine kleine Revolution. Nicht in Sachen Rebsorten-Mix, denn bei diesem Wein handelt es sich um einen reinsortigen Riesling, aber in Sachen Lagenmischung. Denn während landauf und landab das Gros der Winzer immer kleinteiliger denkt und handelt und danach streben, aus jeder noch so winzigen Parzelle einen eigenen Lagenwein zu kreieren, setzte Martin Korrell bei seinen separat ausgebauten Spitzenrieslingen mit dem Jahrgang 2015 den Rotstift an. Inspiriert von der Maxime „reduced to the max“ fasste er vier seiner zuvor separat in die Flaschen gebrachten Spitzenrieslinge aus den Schlossböckelheimer Lagen In den Felsen und Königsfels, der Niederhäuser Klamm und dem Norheimer Kirschheck zu einer Spitzencuvée zusammen: zum Wein „Von den großen Lagen“.Aus Vier mach Eins - das ist ein wagemutiger Schritt, für den der Bosenheimer Winzer von Kollegen Skepsis, aber auch Respekt erntete. Das Wagnis liegt auf der Hand: Bieten vier Weine dem Kunden vier Möglichkeiten, einen oder mehrere Favoriten zu finden, heißt es jetzt Top oder Flop. Entweder die Cuvée „Von den großen Lagen“ (15 Euro pro Spitzflasche) gefällt dem Kunden, oder sie gefällt ihm nicht. Und ist letzteres der Fall, dann bleibt als Alternative nur noch ein Spitzenriesling im Sortiment des Weingutes Korrell übrig: Einzig verbliebener Vertreter der Kategorie Lagenwein bei den Korrells ist der „Paradies Riesling“ (18 Euro) aus dem Hausberg der Bosenheimer Winzerfamilie. Dieser Lagenwein markiert künftig allein die Spitze der Rieslingsortiments.
Für Martin Korrell ist die Fokussierung auf zwei statt bislang fünf Spitzenrieslinge eine logische Folge der Entwicklung in den vergangenen Jahre: „Den Blick auf das Wesentliche konzentrieren, das ist ein Beweggrund, der uns in den vergangenen Jahren wie kein zweiter bei der Weinbereitung begleitet und geleitet hat“, so Martin Korrell. Einher geht diese Fokussierung mit dem Bestreben, das Profil der Weine zu schärfen und zugleich ihre Prägung durch die Heimat in einer für den Kunden nachvollziehbaren Weise stärker herauszuarbeiten. In der Konsequenz führte dies zum Entschluss, die Zahl der bisherigen Lagenrieslinge stark zu reduzieren und sich speziell auf einen Weinberg zu fokussieren: die Lage Kreuznacher Paradies. „Die Lage ist seit fünfzig Jahren der ganze Stolz der Familie“, so Martin Korrell, der dort schon als Kind spielte und seinem Vater bei der Arbeit im Weinberg half.
Neun Hektar bestockte Rebfläche bewirtschaften die Korrells in ihrem Hausberg, der seit jeher auf das engste mit dem Weingut verknüpft ist. Hinzu kommt: das von warmen Muschelkalk- und Tonmergelböden geprägte Paradies ist einzigartig im Gebiet und vereint die Eleganz der Nahe-Rieslinge mit der Opulenz und Tiefgründigkeit des angrenzenden Rheinhessens. „Diese Besonderheit und Alleinstellung gilt es weiter zur Vollendung zu bringen!“, so Martin Korrell, der deshalb den Schritt wagte, den „Paradies Riesling“ künftig als einzigen Lagenriesling des Gutes zu vermarkten, um so dessen besondere Stellung noch deutlicher zu markieren. Und da Besonderheiten im direkten Vergleich noch deutlicher hervortreten, stellt Martin Korrell dem „Paradies“ mit seinen Muschelkalk- und Tonmergelböden die Cuvée „Von den großen Lagen“ zu Seite, in der die Lagen Königsfels und In den Felsen, Klamm und Kirschheck mit ihren Vulkan-, Schiefer- und Gesteinsverwitterungsböden der mittleren Nahe zusammengefasst werden. „Ein Schritt, der sich in den vergangenen Jahren immer stärken aufdrängte“, so Martin Korrell. „Unsere Fassproben im Keller führten immer klarer vor Augen: eine perfektere Balance, einen stärkereren Ausdruck und größere Tiefe ließ sich durch eine Komposition aus den vier Rieslinglagen erzielen.“
Premium-Weißweincuvées: "Von den großen Lagen" und "Steinmauer". |
Der „Von den großen Lagen 2015“ macht es leicht, diese Entscheidung für eine Lagencuvée zu mögen: Bereits die Nase des Weins äußerst vielschichtig mit Gerüchen nach Steinfrüchten, nach Pfirsich, Aprikose und Mirabelle. Am Gaumen wird die Komplexität nochmals gesteigert, es kommen unter anderen Noten von Zitrusfrüchten und Kumquats sowie rauchige Noten und Feuersteinaromen hinzu, die sich am Gaumen festsetzen und in einem langen Nachhall ausufern, der durch die prononcierte, aber bestens eingebundene Säure (8,8 Gramm bei 5 Gramm Restzucker) weit vorangetrieben wird. Ein komplexer und bemerkenswerter Wein, der die vormalige Ausdifferenzierung in vier verschiedene Lagenweine wirklich nicht vermissen lässt. „Der Wein steht und spricht für sich“, sagt Winzer Martin Korrell. „Stimmt“, stimme ich zu. Wenn eine Riesling-Assemblage so dermaßen gut schmeckt, dann ist es auch mir tatsächlich völlig schnurzpiepegal, ob ich eine Cuvée oder einen reinlagigen Riesling im Glas habe.
Probieren geht über Etiketten studieren!
In diesem Sinne mein Appell zum Abschluss der kleinen Reise durch die neue Welt der Haute Cuvéeture: Erst probieren, und dann das Etikett studieren! Ausschlaggebend ist der Geschmack im Glas, nicht die vorhandene oder nicht vorhandene Rebsorten- und / oder Lagenangabe auf dem Papier.Service & Bezugsquellen
Du spielst mit dem Gedanken, die drei Weißwein-Cuvées "Mahlzeit!", "blanc" und "Schäferstündchen" der drei Winzer parallel zu verkosten, um Deine(n) Favoriten herauszuschmecken? Gute Idee! Mein Einkaufstipp dazu: Die Weine bekommst Du direkt bei den Winzern, aber auch zentral an einer Stelle, und zwar in der Nahe.Wein.Vinothek in Bad Kreuznach. Dort sind die drei Weingüter mit jeweils drei Weinen vertreten, darunter momentan auch die drei Cuvées. Verkauft werden die Weine von der Vinothek zum Listenpreis der Weingüter. Du möchtest mehr erfahren? Hier findest Du meinen Blog-Bericht zur Nahe.Wein.Vinothek.
Fotos: Moderne Topfologie
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schöner Bericht...hab Lust bekommen :)
AntwortenLöschenSo soll`s sein! Haben gerade die letzte im heimatlichen Keller gelagerte Flasche vom „Blanc” mit in den Urlaub gefahren und ich kann bestätigen: die Cuvee schmeckt auch unter französischem Himmel toll! Also: testen!
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