03|02|2017 Und BÄM! Da denkt man, in seiner heimatlichen Weinbauregion jeden aufsteigenden und etablierten Winzer besucht, in jeden Weinkeller hineingeschaut, in allen Weinbergen Steine umgedreht und jeden Wein (ab passable aufwärts) probiert zu haben, man glaubt, seine Heimatwinzer und ihre Weinstrickmuster aus dem Effeff zu kennen - und dann kommt einer um die Ecke, der wie ein Blitz in dieses beschauliche Heimatgemälde einschlägt, die Worte „Du bist nie vor Überraschungen gefeit!“ ins Gestein brennt und Dich dazu zwingt, den Horizont deiner heimeligen kleinen Weinwelt gehörig zu verschieben. Wer das jüngst geschafft hat? Der „Mond“! Nein, nein, nicht der am Firmament, sondern der in der Flasche. Der Riesling „Mond“, der ebenso wie sein Schwesterwein „Sonne“ aus dem Weingut Tesch in Langenlonsheim stammt.
Tesch, trocken, Mond - zarte Fee mit Vorschlaghammer
Riesling Mond aus dem Weingut Tesch. |
Plötzlich holt diese zarte Weinfee den aromatischen Vorschlaghammer raus und schlägt mit solcher Wucht zu, dass der Nachhall dieses Schlages kaum enden will - und das buchstäblich. In der Nase chargiert der „Mond“ zwischen Gelbfruchtaromen, Kräuterwürze und Feuerstein, am Gaumen liefern sich Papaya und Orangenschale, Ananas und Maracuja, weiße Johannisbeere, getrocknete Aprikosen, Zitronengras und ein Hauch (Curry)Würze ein Wettrennen, im Nachhall drängen sich getragen von einer glasklaren Säure die Zitrusnoten weiter nach vorne und balgen sich mit würzigen und steinigen Noten um den Spitzenplatz. Dieser feingliedrige Wein strotzt nur so vor aromatischer Kraft - und das spürte der Trinker noch lange. Sehr lange! Der Widerhall dieses Aromahammers ist gigantisch. Die Aromen des „Mondes“ haben kleinen Widerhaken, sie sitzen extrem fest auf der Zunge und sorgen für einen Nachhall, wie ich ihn bei einem trockenen Weißwein in dieser Form bislang noch nicht erlebt habe. Fünf, zehn, 15, 20, 30 Minuten . . . der „Mond“ trägt und trägt und bleibt schmeckbar. In dieser Intensität und Länge habe ich einen Nachhall bislang nur bei edelsüßen Spitzenrieslingen erlebt. „Der ‚Mond‘ ist Extremsport“, wirft Dr. Martin Tesch ein. Was er damit meint? Dazu komme ich später.
Zunächst: Das Weingut Tesch gehört seit Jahrzehnten zu den Konstanten meiner Weinwelt, und zwar genau gesagt seit 1998. Das ist das Jahr, in dem ich in die Weinbauregion Nahe zog und ich mich intensiv mit Wein in Allgemeinen und Naheriesling im Speziellen zu beschäftigen begann. Bereits damals tauchte das Weingut Tesch auf meinem Radar auf, wovon unter anderem eine Flasche Langenlonsheimer Löhrer Berg Riesling Auslese des Milleniumjahrgangs 2000 zeugt, die ich (noch) im Keller liegen habe.
Altes Schätzchen: Tesch Löhrer Berg Auslese Jahrgang 2000. |
Ein Jahr vor meinem Umzug an die Nahe hatte Dr. Martin Tesch im Alter von 29 Jahren das traditionsreiche Weingut an der unteren Nahe, das sich seit 1723 in Familienbesitz befindet, von seinem Vater übernommen. Mit der Betriebsübergabe beginnen buchstäblich neue Zeiten im Weingut. Martin Tesch, damals 29 Jahre alt, legt fast die Hälfte der 30 Hektar Rebfläche still, bewirtschaftete nur noch seine besten Lagen und baut darauf nahezu ausschließlich Riesling an. Er stellt die Erzeugung von rest- und edelsüßen Weinen komplett ein, führt ein modernes Produkt-und Etikettendesign (ausgezeichnet mit dem reddot-Designpreis) ein und „rockte“ das Weingut und die wegen dieser Veränderung zum Teil extrem verstörte Stammkundschaft mit Konzeptweinen wie dem Riesling unplugged* oder dem „Kraut-Wine“. Diese Entwicklung innerhalb der vergangenen zwei Jahrzehnte habe ich verfolgt und zum Teil auch mit Zeitungs- und Blog-Berichten begleitet. „The same procedure as every year!“ dachte ist also vor einigen Wochen, als ich das Gut in Langenlonsheim besuchte, um dort Fakten für einen Bericht zusammenzutragen, der jüngst hier im Blog unter dem Titel Nix Jägermeister und Bommerlunder: Weißes Rauschen aus der Magnum! erschienen ist. Pustekuchen! Denn ich hatte den „Mond“ nicht auf dem Radar.
Einmal Sonne, einmal Mond – beides Riesling
Nomen est omen: Die „Sonne“ als der edelsüße Part dieses Duos strahlt den Genießer mit einer goldgelben Farbe und mit einer Fülle von Aromen intensiv aus dem Glas an. Aromen von saftigem Pfirsich, Passionsfrucht, kleinen Erdbeeren, Lindenblüte und Honig betören die Nase, am Gaumen blitzen Ananas und Aprikose, Limetten, saftige Pfirsiche und süße Sultaninen auf, alles verwoben mit der für die Tesch-Weine typischen Kräuterwürze. Befeuert wird das Aromenspiel durch eine feine Weinsäure, die im Abgang auf der Zunge zu tanzen beginnt und nochmals die beeindruckende glasklare aromatische Strahlkraft des Weins unterstreicht. „Für eine Beerenauslese recht leicht“, mögen erprobte Süßwein-Verkoster an dieser Stelle einwerfen. Stimmt! Die per Hand ausgelesenen Beeren für die „Sonne“ kamen mit einem Mostgewicht von 127 Oechsle auf die Kelter und rissen damit knapp den Grenzwert für das Prädikat Beerenauslese (min. 125 Grad Oechsle, ab 150 Grad Oechsle Trockenbeerenauslese). Vom Oechslegrad her haben wir es hier also mit einer eher „kleinen“ Beerenauslese zu tun, aber geschmacklich trumpft der edelsüße Wein (den ich bei 91 Parkerpunkten ansiedeln würde) groß auf. Zudem passt es sehr gut zur anmutigen und tänzerischen Gestalt des Weines, dass die Beerenauslese nicht zu süß, verdichtet und „fett“ ist und einen schönen Trinkfluss hat. Denn das prädestiniert die „Sonne“im Vergleich zu höher konzentrierten Süßweinen viel besser als Essensbegleiter, was der Zielsetzung von Martin Tesch entspricht. „Die ‚Sonne‘ ist auch dafür da, Wein-Novizen zu zeigen, wofür Dessertwein taugt und wozu er als Speisebegleiter passt“, so der Winzer.
Vor dem Hintergrund dieses didaktischen Ansatzes erklärt sich auch, warum es aus dem Weingut Tesch überhaupt wieder ein edelsüßer Wein gibt. Nach dem Weinjahrgang 2002 hatte das Gut die Süßweinproduktion für private und gewerbliche Kunden komplett eingestellt. Einzig im Versuchsausbau und für besondere private Anlässe wurde im Langenlonsheimer Gut noch „Riesling in Süß“ gemacht. Erst 2011 kam mit der ersten „Sonne“ (einer Auslese) wieder ein Riesling mit Restsüße auf den Markt. „Tesch wird weiterhin zu 99,9 Prozent für trocken stehen. Aber mit der ‚Sonne‘ wollen wir ein Stück Weinkultur erhalten und zeigen, was edelsüßer Riesling ist und kann“, so der Querdenker unter den Nahewinzern.
Hoch konzentriert: das didaktische Duo
"Der Mond ist Extremsport." Dr. Martin Tesch. |
Das Konzentrationsprinzip beim „Mond“ ist nicht nur gänzlich anderes, sondern in dieser Umsetzung auch völlig ungewöhnlich. Ich kenne kein zweites Weingut, dass auf diese Weise Wein erzeugt. Der „Mond“ wird nämlich ausschließlich aus ausgelesenen jungfernfrüchtigen Trauben erzeugt. Diese sehr kleinen Beeren entstehen infolge der sogenannten Verriegelung, einer Befruchtungsstörung am Blütenstand zu Beginn des Rebjahres. Die unbefruchteten Jungfernbeeren (auch Honigbeeren genannt) haben nur den halben Chromosomensatz und zeigen ein geringes Wachstum. Sie reifen aus, bleiben aber klein und haben zudem nur wenige oder gar keine Kerne. Ein Vorteil für die weitere Verarbeitung im Weingut Tesch, denn hier wird für die Erzeugung des „Mond“ die Extraktion auf die Spitze getrieben. Ebenso wie die edelfaulen Beeren für die „Sonne“ werden für den „Mond“ die jungfernfrüchtigen Beeren durch eine aufwendige Handlese in allen Weinbergen des Gutes ausgelesen und anschließend entrappt, also von den Stielen getrennt. Die Beeren werden dann gemaischt (abgequetscht) und erhalten eine Maischestandzeit, und zwar eine die „viel, viel länger ist als für alle andere unserer Weine“, so Tesch. Während dieser sehr langen Maischestandzeit kommt es zu einer starken Extraktion von Aromen und Aromavorstufen sowie anderer Inhaltsstoffen, die zu einer Steigerung der Dichte und Komplexität des Weines führen. Tesch kann diese Extraktions- und Konzentrationsmethode durch die Verwendung von ausschließlich jungfernfrüchtigen und entrappten Beeren auf die Spitze treiben, denn er umgeht auf diese Weise der Gefahr, während der langem Standzeit der Maische zu viele Gerbstoffe in den Saft auszulaugen. Die Tannine konzentrieren sich besonders in den Kernen und den Stielen - und die Stile wurden entfernt und die jungfernfrüchtigen Beeren bringen kaum Kerne mit.
Das Weingut Tesch in Langenlonsheim. |
„Der ‚Mond‘ ist Extremsport“, sagt Dr. Martin Tesch. Das betrifft den Aufwand bei der Lese und auch die auf die Spitze getriebene Extraktion der Beeren. Lohn des Einsatzes ist ein rundherum außergewöhnlicher Wein, der mich, wie oben beschrieben, aus den Socken gehauen hat. Die Verwendung von ausschließlich jungfernfrüchtigen Beeren in Kombination mit der sehr langen Maischestandzeit ist in einem federleichten und brillanten trockenen Riesling mit erstaunlich niedrigem Alkoholgehalt gemündet, der zugleich nur so vor aromatischer Kraft strotzt. Ich bin begeistert und spendiere ohne zu Zögern 94+ Parkerpunkte für diesen Ausnahmeriesling.
Weinetiketten aus der Feder eines Heavy Metal-Grafikers
Illing schuf neben den Grafiken für das Vorderetikett von „Sonne“ und „Mond“ auch eine weitere Grafik für das Rückenetikett der großen „Mond“-Flaschen. Auf diesem Bild bildet der silberfarbene Halbmond die eine Gesichtshälfte der goldenen Sonne. Beide sind in ihrer Gegensätzlichkeit und Andersartigkeit erkennbar, bilden zusammen aber ein einziges Antlitz. Besser hätte man die die spezielle Beziehung der beiden Weine kaum visualisierten können: „Sonne“ und „Mond“ sind - so unterschiedlich sie auch sind - nur die andersartige Ausprägung eines Ursprungs, die verschiedenen Hälften eines Gesichts. Beide sind Riesling. Und beide strahlen hell und deutlich am (Weiß)Weinhimmel - am Tag und in der Nacht.
Der trockene Mond 2015 wird in gleich drei Flaschengrößen angeboten. Die halbe Spitzflasche kostet ab Weingut 12 Euro, die ganze Spitzflasche 20 und die Magnum 45 Euro.
Du hast Interesse an Tesch Weinen, wohnst aber leider nicht in der Nähe des Gutes? Dann lasse Dir doch Weine zuschicken - direkt vom Weingut.
Alle Fotos: Moderne Topfologie
Super Artikel - bin auch Tesch-Liebhaber !
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