16|05|2022 Hackfleisch-Tomatensauce mit Pasta . . . bitte Hand heben, wer das noch nicht gegessen hat. Dürften nicht allzu viele Hände zu sehen sein, schätze ich. Allerdings: Wer denkt, eine schnell in 30 Minuten zusammengewürfelte Sauce aus Hackfleisch, Zwiebelwürfelchen und Dosentomaten zu Spaghetti sein auch nur entfernt mit einer echten Ragù alla bolognese zu vergleichen, dem sei gesagt: Ne, ne, ne! Und nochmals: Ne, ne, ne! Denn eine echte "Bolo" ist ein echtes Umami-Power-Muskel-Monster, das in Sachen satter Fleischigkeit und bodenloser Geschmackstiefe meilenweit von jedem "Tomatensößchen mit Hack" entfernt rangiert.
Zunächst: Ja, die Zutaten-Sammlung für ein Ragù bolognese oder, wie es im Französischen heißt, eine Sauce bolognaise, ist übersichtlich. Man nehme: Hackfleisch vom Rind und Schwein (oder einer Mischung aus Rind, Kalb und Schwein mit einer Zugabe von ein wenig Geflügelleber), ein wenig Pancetta (italienischer Bauchspeck), das klassische italienische Soffritto (Röstgemüse-Mix aus Zwiebel und Möhre und Staudensellerie), Öl zum Anbraten, Wasser und/oder Brühe, Tomatenmark, Salz, Pfeffer, Milch und aus die Maus. Diese wenigen Zutaten müssen dann aber - und das ist nicht diskutabel - stundenlang und äußerst behutsam vor sich hin simmern, um mit stundenlang meine als unterstes Limit drei Stunden, besser und im üblichen Kochalltag sechs und im allerbesten Fall zwölf. Nach dem Ende dieser langen Kochphase bei niedriger Temperatur über mehrere Stunden ist die Fleischsauce von dickflüssiger Konsistenz und gesättigt mit einer bombastischen Umami-Power. Die Sauce ist durch die Salze der natürlichen Glutaminsäure so tiefgründig-fleischig und herzhaft-wohlschmeckend, dass es einem buchstäblich beim ersten Bissen von den Socken haut und sich in Null-Komma-Nix eine Bolognese-Sucht entwickelt. Was? Ich soll aufhören, Sauce bolognaise zu essen. Neeee, nix da, ne, gib her noch nen Teller, aber pronto! Bitte, biiiiiiitte!
Die möchtest die Umami-Power deiner "Bolo" noch zu pimpen? Aber ja doch. In meiner Randnotiz unten verrate ich dir drei Zutaten, mit denen du du die Umami-Schraube noch fester andrehen kannst . . . und ganz ehrlich: Das Motto "Weniger ist mehr" ist mir ja total lieb, erscheint mir hier aber fehl am Platze. Mehr ist hier tatsächlich mehr, nutze also ruhig zwei, ach was, nutze gleich alle drei Zutaten, um dein Ragù alla bolognese mit Umami-Muskeln aufzupumpen. Es wirkt!
Für die unten angegebene Menge Bolo schlage ich dir also folgenden Umami Triple Turbo vor: Sobald alle Zutaten im Topf sind, lege 2 Scheiben Parmesanrinde ein und gieße 1 EL Colatura di Alici an. Ca. 30 Min vor dem Ende der Kochzeit kannst du dann noch 2 EL Tomami #1 einrühren.
Rezept für Ragù alla bolognese
Zutaten | für 4 Personen
- 100 g Möhren
- 100 g Zwiebeln
- 100 g Stangensellerie
- 100 g Pancetta
- 6 EL Speiseöl (z.B. Sonnenblume, Raps- oder Olivenöl)
- 400 g Rinderhack
- 270 g Schweinehack
- Salz
- schwarzer Pfeffer*
- 4 EL Wein (Weiß- oder Rotwein)
- 4 EL Tomatenmark (3-fach konzentriert)
- 400 ml Kalbs- oder Rinderfond
- 300 ml Wasser
- 1 Lorbeerblatt
- 250 ml Vollmilch
Falls verfügbar als zusätzlicher Umami-Booster:
- 2 Scheiben Parmesan-Rinde
- 1 EL Colatura di Alici
- 2 EL Tomami #1
Zubereitung | min. 3,5 bis 6, max. 12 Std.
- Das Hackfleisch 15–20 Min. vor dem Anbraten aus dem Kühlschrank holen. Das Röstgemüse, also Möhren, Zwiebeln und Stangensellerie, in kleine Würfel mit ca. 5 mm Kantenlange schneiden und jeweils getrennt in einzelnen Schälchen bereit stellen. Pancetta ebenfalls in Würfel mit ca. 5 mm Kantenlange schneiden und beiseite stellen.
- 1 EL Öl in einer Pfanne erhitzen und darin das Schweinhack auf ¾ Hitze anbraten, bis das austretende Wasser verdampft ist und das Hack in der Pfanne zu "knistern" beginnt. Hack in eine Schüssel umfüllen. Anschließen in einem weiteren EL Öl das Rinderhack in der Pfanne anbraten, bis das austretende Wasser verdampft ist und das Fett in der Pfanne zu "knistern" beginnt. Rinderhack zum Schweinehack in die Schüssel geben und alles sehr dezent salzen und ein wenig schwarzen Pfeffer einrühren. Den Pfannensatz in der noch heißen Pfanne mit dem Wein ablöschen und ablösen. Über das Hackfleisch gießen.
- Einen großen Topf (z. B. Gusseisentopf) erhitzen und auf maximal ½ Hitze die Pancetta-Würfel auslösen. Die Zwiebelwürfel dazugeben und glasig anschmoren. Selleriewürfel dazugeben und ca. 5 Min. mit anbraten. Die Möhrenwürfel in den Topf geben und weitere ca. 8–10 Min. mit anschmoren. In dieser Zeit den Kalbs- oder Rinderfond mit dem Wasser in einem zweiten kleinen Topf zusammengießen und erwärmen.
- Das Tomatenmark und den Rest Olivenöl (4 EL) in den großen Topf zum Soffritto geben und 3–4 Min. anrösten. Das Hack in den Topf geben. Die erwärmte Fond-Wasser-Mischung angießen und das Lorbeerblatt (sowie falls verfügbar 2 Scheiben Parmesan-Rinde und 1 EL Colatura di Alici) hinzufügen. Das Hack sollte von der Flüssigkeit bedeckt sein, ein paar Hackspitzen dürfen ruhig aus dem Flüssigkeitsspiegel herauslugen. Nun den Topfdeckel auflegen und das Ragù sehr, sehr, sehr sanft simmern lassen . . . nicht köcheln! Nur im Flammenzentrum sollten minimal Bläschen aufsteigen, es darf auf keinen Fall stark Blubbern. Die Küche verlassen und z. B. Rasen mähen, die Garage aufräumen, das Hausdach neu decken, das Kinderzimmer streichen, das Auto neu lackieren, mit dem Hund Gassi gehen, ins All und zurück fliegen und, und, und . . .
- Nach ca. 1,5 Std. ein Drittel der Milch angießen, umrühren, Topfdeckel wieder auflegen, weggehen. Nach weiteren 1,5 Stunden ein Drittel der Milch angießen, umrühren, Topfdeckel wieder auflegen, weggehen. Nach weiteren 1,5 Stunden das letzte Drittel der Milch angießen, umrühren und den Topfdeckel nun nicht wieder auflegen. Da der Deckel die ganze Zeit auflag, sieht der Inhalt momentan noch eher nach einer Bolognese-Suppe statt nach einem Ragù aus. Deshalb nun den Deckel neben dem Topf liegen lassen und die Sauce bei niedriger Hitze auf eine dickflüssiger Konsistenz eindicken. Falls verfügbar, ca. 30 Min. vor Ende der Kochzeit 2 EL Tomami #1 einrühren. Gegen Ende der Kochzeit das Ragù alla bolognese mit Salz und schwarzem Pfeffer abschmecken. Bandnudeln (Tagliatelle), Rigatoni oder Penne kochen und zusammen mit der "Bolo" und geriebenem Parmesan servieren. Oder nutze die Bolognese als Füllung für Lasagne oder eine andere Ofenpasta, das geht auch.
Randnotiz
Du möchtest die Umami-Power auf deinem (Bolognese-)-Tellers potenzieren? Dann stelle ich dir dafür drei "Potenzmittel" vor, mit denen du gewaltig am Umami-Punch deiner Speisen schrauben kannst. Umami-Power pimpen - so einfach ist das . . .
Parmesanrinde
Parmesan ist eine mächtige Umami-Waffe: Thomas A. Vilgis, der in Mainz auf dem Gebiet der weichen Materie forscht forscht und beruflich sowie privat der Physik und Chemie von Lebensmitteln auf den Grund geht, hat für eines seiner Bücher eine Top-Ten-Liste der Lebensmittel mit den höchsten Glutamat-Konzentrationen erarbeitet. Und in der mischt Parmesan ganz vorne mit. Hier die Umami-Hitliste von Vilgis (gemessen in Milligramm pro 100 Gramm, der erste Wert beziffert die freien Glutamate, der Wert in Klammern die gebundenen):
- Parmesan am Stück: 1200 mg (9800)
- Bohnen: 200 (5600)
- Tomaten: 140 (2400)
- Mais: 130 (1800)
- Kartoffeln: 100 (270)
- Hühnerfleisch: 45 (3300)
- Rindfleisch: 35 (2800)
- Makrelen: 35 (2400)
- Schweinefleisch: 25 (2300)
- Eier 25: (1600)
Reibst Du Parmesan über die Sauce, dann geht der Umami-Wumms definitiv in die Höhe, aber dafür kannst Du auch schon vorab etwas vom Käse in die köchelnde Sauce geben. Was? Na, einfach jene Kanten- und Rindenabschnitte vom Parmesan, die zu hart zum Reiben sind. In denen steckt konzentrierte Aroma- und Umami-Power. Also: Nicht wegwerfen, sondern die harten Kantenstücke einfrieren oder alternativ einige Zeit sammeln, gemeinsam vakuumieren und dann im untersten Kühlschrankfach einlagern, wo sie sich mehrere Monate lang halten. Wenn dich die Farbe im Parmesan-Aufdruck stört, schneidet sie vor dem Einfrieren oder Vakuumieren mit einem Sparschäler ab. Von den so vor der Biotonne geretteten Parmesanrinden einfach während des Einköchelns der Tomatensauce (oder auch einer Minestrone oder einem Risotto) je nach Menge der Sauce ein oder zwei oder drei Stücke mit in den Topf geben und 30 bis 40 Minuten mit köcheln lassen. Die Rinden nach dem Kochen herausfischen oder alternativ die unbehandelten und somit zum verzehr geeigneten Naturrinden in kleine Würfelchen schneiden und mit verputzen.
Tomami
Auch Tomaten sind - siehe in der Liste oben - voll gespickt mit Glutaminsäure und somit Umami-Power. Diese Kraft auf eine anwenderfreundliche Weise zum Anreichern, Würzen und Verfeiern von Speisen nutzbar zu machen ist das Ziel des deutschen Unternehmens Tomami. Ohne den Zusatz von weiteren Zutaten, Zusatzstoffen oder Salz und Zucker werden durch ein spezielles Verfahren mittels Zentrifugalkraft und etwas Hitze aus vier Kilogramm vollreifen und besonders lycopinhaltigen Tomaten 240 Milliliter Würzessenz erzeugt. Heraus kommen die beiden Basiswürzextrakte „Tomate #1“ und „Tomami #2“, von denen Du beispielsweise bei der Zubereitung einer Sauce einfach während bzw. gegen Ende des Kochvorgangs einfach etwas mit in den Topf gibst.
Tomami #1* nutzt die natürlichen Umami-Power der Tomate für mehr Geschmackstiefe in Kombination mit einer milden Säure und einem zurückgenommenen Tomatengeschmack. Sprich: Die Zugabe von ein wenig Tomami #1 verleiht Würze und Mundfülle, ohne den Speisen einen intensiven Tomatengeschmack zu geben und die Säure prägnant anzuheben. Der Hersteller empfiehlt Tomami #1 besonders für Gerichte, denen Röstaromen fehlen, wie es bei Fisch-, Fleisch- und Gemüsesuppen der Fall ist oder sein kann, aber auch bei gedämpftem Fisch, Reis- und Kartoffelgerichten. In der kalten Küche eignet sind die Würzessenz beispielsweise für Salatsaucen, Brotaufstriche und Gazpacho.
In Sachen Umami-Effekt ist
Tomami #2* mit #1 vergleichbar, allerdings ist diese Tomami-Variante säurebetonter und deutlich kräftiger im Tomatengeschmack. Bei der Zugabe von Tomami #'2 zu Speisen wird also je nach Zugabe-Menge neben dem herzhaftem Grundkörper auch eine fruchtige Tomatennote mit typischer Säure deutlicher betont. Mögliche Anwendungsgebiete sind zum Beispiel Gerichte der mediterranen Küche, so unter anderem Pastasaucen, Ratatouilles, Lasagne, Ragouts und Schmorgerichte, aber auch Gemüsegerichte, Fleisch- und Fischgerichte aller Art, (Grill-)Saucen und (Salat-)Dressings.
Colatura di Alici
Als wichtigste Würzsoße Südostasiens peppt Fischsauce dort fast jedes Essen auf. Wen wundert's: Hochwertige Fischsauce ist ein mit Umami-Power gesegneter natürlicher Geschmacksverstärker, der den Grundgeschmack von Fleisch-, Fisch- und Gemüsegerichten hervorhebt und Aroma und Tiefe der Speisen betont. Allerdings: Wer seine Nase in die ein oder andere nicht so gelungene Fischsauce steckt, den lässt der fischige Geruch deutlich zurückzucken. Italophile Genießer wie ich dagegen schwören auch deshalb auf
Colatura di Alici*, ein Gewürzkonzentrat aus Kampanien oder Sizilien. Das Geheimnis dieser "Essenz des Meeres": Die bernsteinfarbene Flüssigkeit aus Sardellen steckt voller Umami-Power, Geschmack und Geruch sind aber deutlich weniger fischig und beim Schnuppern am "Colatura di Alici"-Fläschchen denkt man spontan eher an einen intersiven Parmesan-Duft.
Fisch in Soße zu verwandeln ist keine neue Erfindung. Bei den antiken Kulturen rund ums Mittelmeer gab es eine Zutat, ohne die das Kochen nicht vorstellbar war: Liquamen oder Garum, eine Würzextrakt aus langsam im Salzwasser vergorenen Fischen oder Fischteilen. Garum wurde statt Salz beim Kochen verwendet und verlieh allen Speisen eine würzige, aber nicht fischige Grundnote. Die Tradition der Fischsaucenherstellung in Europa ist seit etwa 1500 Jahren fast völlig ausgestorben – fast! – denn an der süditalienischen Amalfi-Küste wird auch heute noch die
Colatura di Alici gebraut, die weitgehend dem antiken Garum entspricht. Übersetzt bedeutet Colatura di Alici in etwa „Das Getröpfelte“ oder „Das Durchgeseihte von Sardellen“.
Seit 2020 gibt es die "Sardellentropfen" mit geschützter Ursprungsbezeichnung aus Cetara, einem kleinen Ort an der Amalfiküste. In Sizilien ist Sciacca für seine Colatura bekannt.
Colatura di Alici (di Cetara)* wird aus fermentierten über einen längeren Zeitraum in Meersalz eingelegen Anchovis (ital.
alici = Sardellen) gewonnen. Für die Herstellung von einem Liter Colatura werden circa 30 Kilo Sardellen benötigt, der Fermentierungs- und Reifeprozess zieht bis zu neun Monate hin. In der Zubereitung sind sich die asiatischen und italienischen Fischsaucen ähnlich. Aber: Bei der Colatura di Alici werden vor dem Einlegen Kopf und Innereien entfernt, was zum (für den europäischen Gaumen angenehmeren) leichteren Fischgeschmack führt.
In der Küche Kampaniens verwendet man die Colatura vorwiegend für Pastagerichte, Gemüse und Salate, zum Beispiel für Tomatensalat. Einige Tropfen des bersteinfarbenen Umami-Boosters gibt Gerichten einen intensiveren und würzigen Geschmack, ohne selbst hervorzutreten. Um eine Tomatensauce zu pushen, lasse je nach Saucenmenge zum Beispiel einen oder zwei Teelöffel Colatura mitsimmern. Es gibt viele Speisen, zu denen ein kleiner Tropfen (oder etwas mehr) Colatura passt. Dazu gehören zum Beispiel ein Ragù alla bolognese, ein Hühnereintopf oder ein Salatdressing. Sardellentropfen passen zu gegrilltem Gemüse, gebratenem Fisch, ins Caesar-Salat-Dressing und auf diverse Pastagerichte. Die Colatura kann entweder mitköcheln oder zum Verfeinern von Gerichten gegen Ende der Zubereitung genutzt werden. Wichtig dabei: Da Colatura di Alici salzig ist, beim Einsatz den Salzanteil des Gerichtes an anderer Stelle verringern.
*Links zu Amazon sind Affiliate-Links Foto Bolognese oben: Andy Hay
Foto Topf: Jennifer Pallian
Foto Bolognese auf blauem Teller: Kai Brückner
Sehr lecker, klasse:)
AntwortenLöschenSuper, das freut mich!
LöschenBei mir kommen noch dazu: Lorbeer Blätter, Muskat Nuss, Rosmarin und Salbei sowie eine Nelke (fakultativ). Ich bevorzuge die Variante mit ein wenig Leber und… gerne noch ein Stück Salsiccia. Mmmmh!
AntwortenLöschenDas hört sich auch gut an . . . beim Würzen darf selbstverständlich jeder seinen persönlichen Vorlieben folgen.
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