13|06|2018 Schmorgerichte sind etwas furchtbar Feines, und das nicht nur in der kalten Jahreszeit. Ich schmore liebend gerne, und das aus vielerlei Gründen. Zuvorderst machen sich Schmorgerichte quasi „von selbst“. Ok, ich gebe zu, zunächst müsst Du für das Schnibbeln und Anbraten der Zutaten etwas Zeit investieren, aber steht der Schmortopf erst einmal gefüllt auf im Ofen (oder dem Herd), dann heißt es für einige Stunden Beine hochlegen und nichts tun. Und auch das „Finishing“ ist relativ schnell erledigt: Fleisch pulen, Sauce passieren und etwas einköcheln, abschmecken, fertig. Apropos Sauce: Auch die spricht eindeutig für Schmorgerichte, denn die während des langen und langsamen Schmorprozesses entstehende Sauce ist unglaublich tief und kräftig und verfügt über eine wunderbare Konsistenz und Bindung. Und - ebenfalls toll - die Saucenmenge ist zumeist üppig. Und dann das Fleisch! Das wird beim Schmoren butterweich und - was umso toller ist - das gilt auch für preisgünstige Fleischpartien mit Bindegewebe und Sehnen. Ausgiebig geschmort, teilt sich jedwedes Fleisch vor der sich nähernden Gabel wie das Rote Meer vor dem Stab Moses - also von selbst.
Zum Schmoren können alle möglichen Fleischsorten (Rind, Schwein, Geflügel, Lamm, Wild) und Fleischpartien (Hals, Schulter, Nacken, Rippe, Bauch, Keule, Unterschale, Bein, Schwanzstück oder Wangen) genutzt werden, persönlich greife ich sehr häufig zu Rinderbeinscheiben. Warum? Zum einen ist bei jeder Scheibe ein Stück Knochen inklusive, was der Gelierfähigkeit der Sauce zu Gute kommt. Das ist zwar auch beim Ochsenschwanz, den ich gleichfalls gerne schmore, der Fall, aber an der Beinscheibe hängt mehr Fleisch dran, und das erleichtert nicht nur das Pulen des Fleisches nach dem Schmoren ungemein, sondern bringt auch etwas größere und optisch ansprechendere Fleischstücke mit sich. Zum anderen sind Beinscheiben im Vergleich zu beispielsweise Ochsenbacken, die ich ebenfalls gerne meinem Schmortopf einverleibe, viel preisgünstiger.
Sind die Rinderbeinscheiben also erst einmal gekauft (ruhig in einer größeren Menge, denn wenn Du schon den Schmortopf anfeuerst, dann sollte es sich auch lohnen), dann heißt es zeitig aufstehen, frühstücken und sofort beginnen. Denn gut Schmoren will viel Weile haben. Wer mag, kann aber auch etwas länger schlafen und den Schmorvorgang auf zwei Tage aufteilen. Und so geht’s:
Rezept für geschmorte Rinderbeinscheiben
Zutaten | für 4–6 Personen
- 200 g Grüner Speck vom Schwein (alternativ 150 g Butterschmalz)
- 3 Zwiebeln
- 3 große Möhren
- 4 Knoblauchzehen
- Stück Knollensellerie (ca. 200 g.)
- 1 Zucchini
- 1 kleine Petersilienwurzel
- 4 Tomaten (alternativ 400 g Dose geschälte Tomaten*)
- 1 Bioorange
- 1 Biozitrone
- 1 Lorbeerblatt
- 3 Thymianzweige
- 8 Pimentkörner*
- 1 Nelke
- ca. 1,6 bis 1,8 kg Rinderbeinscheiben
- Mehl (405er)
- 500 g Kalbsknochen, gesägt
- schwarzer Pfeffer
- grobes Meersalz
- 0,75–1 Ltr. Rotwein (hier mein Kochwein-Tipp)
- 600 ml Kalb- oder Rinderfond
- zum Abschmecken: Madeira*
- einige Zweige glatte Petersilie
Hinweis: Wer die weiter unten unter „Beilagen“ beschriebene Variante mit Linsen kochen möchte, benötigt zusätzlich noch 200–250 g Beluga-Linsen*. Weitere passende wären zum Beispiel ein luftiges Weißbrot oder Polenta. Die Links zu den Polenta-Rezepten findest Du weiter unten.
Zubereitung | ca. 90 Min. plus ca. 4 Std. Schmorzeit
- Den Grünen Speck in kleine Würfel schneiden und in einem großen Gusseisentopf* oder Gusseisenbräter* auslassen. Die ausgelassenen Würfelstücke aus dem Fett entfernen. Wer im Backofen schmort, sollte diesen nun auf 140 Grad Ober-/Unterhitze vorheizen.
- Zwiebel schälen und in breite Streifen schneiden, Möhren schälen und in Scheiben schneiden, die Knoblauchzehen mit dem Handballen andrücken, den Knollensellerie sehr grob würfeln, die gewaschene Zucchini in 1 cm breite Scheiben schneiden, die Petersilienwurzel schälen und würfeln, die Tomaten waschen und vierteln. Die Tomaten extra beiseite stellen, das restliche Gemüse kannst Du zusammen in einer Schüssel bereitstellen. Ziehe anschließen von der Bioorange die Schale in dünnen Streifen (ohne die weiße Unterhaut der Orange) ab - ich nutze dazu einen Trüffelhobel*. Dann die Orange auspressen. Von der Biozitrone einige Streifen (maximal die Hälfte der Schale) abziehen. Alle Schalenstreifen, das Lorbeerblatt, die Thymianzweige, die Pimentkörner und die Nelke in einem kleinen Gefäß bereitstellen.
- Die Rinderbeinscheiben mit etwas Mehl fein bestäuben und bei hoher Hitze in dem ausgelassenen Speck knusprig anbraten - je nach Scheibendurchmesser Stück für Stück oder zwei Scheiben nebeneinander. Die Scheiben anschließend herausheben, mit ein wenig grob gemahlenem Pfeffer und grobem Meersalz bestreuen und in einem zweiten Topf mit Deckel warmhalten.
- Gieße nun das Fett aus dem Topf / dem Bräter ab und röste darin zunächst die Kalbsknochen an. Die Knochen herausnehmen und dann das vorbereitete Gemüse mit Ausnahme der Tomatenviertel (!) unter gelegentlichem Rühren anschmoren. Fleisch und Knochen zurück in den Topf geben. Den Topfboden kurz etwas abkühlen lassen, damit es beim anschließenden Angießen mit Flüssigkeit nicht zu einer heftigen Dampfentwicklung kommt und dadurch die bereits gebildeten Aromen und Aromavorläufer verpuffen. Lösche nun alles mit ca. 250 ml Rotwein ab. Den Wein fast vollständig reduzieren lassen, dann die Tomatenviertel und Gewürze, den Rest des Rotweins und Orangensaft zugeben. Mit Fond auffüllen, so dass Fleisch und Gemüse gerade bedeckt sind. Einmal aufkochen, dann den Deckel auf den Schmortopf geben und im heißen Backofen auf der untersten Schiene von unten 2 Std. bei 140 °C Ober-/Unterhitze und mindestens weitere 2 Std. bei 120 °C schmoren. Nach zwei Stunden einmal umrühren. Alternative: Statt im Ofen schmore ich auch sehr oft bei kleiner Hitze auf dem Herd. Dabei reduziere ich die Hitze soweit, dass die Flüssigkeit nur noch sehr, sehr dezent „blubbert“ und verlängere die Garzeit auf mindestens sechs Stunden – oder sieben, oder acht . . .
- Nach dem Ende der Garzeit alle Knochen und das Beinscheibenfleisch aus dem Topf fischen und das Fleisch in einem Topf warm stellen. Den restlichen Topfinhalt passiere ich nun zunächst durch ein grobes und anschließend durch ein feines Sieb, so dass ich eine feinflüssige Sauce erhalte. Die Sauce 4–5 Min. in einer großen Schüssel ruhen lassen, indamit sich das Fett auf der Oberfläche absetzen kann. Ziehe nun mit halbierten Tüchern vom Küchenkrepp vorsichtig den Großteil des Fettes von der Saucenoberfläche ab. Anschließend die Sauce in einen Topf umfüllen und auf die gewünschte Konsistenz eingeköchelt. Mit Salz und schwarzem Pfeffer und auf Wunsch mit einem kleinen Schuss Madeira abgeschmeckt.
- Während die Sauce einköchelt, das Fleisch pulen, also die Knochen und alle stark fettigen und sehnigen Teile entfernen. Ist das erledigt, die Fleischstücke in die Sauce geben und noch einmal kurz erwärmen. Einige Stängel glatte Petersilie waschen, trocken schütteln, die Blätter von den Stängeln zupfen und grob hacken. Das Fleisch mit der Sauce und Beilage (siehe unten) auf Teller verteilen und mit der gehackten Petersilie bestreuen.
Pain Boulot, Polenta, Pomme de terre und, und, und . . .
Je nach Lust und Laune (und Außentemperatur) lässt sich eine Vielzahl von Beilagen zu den Rinderbeinscheiben in kräftiger Sauce kombinieren. Soll es etwas leichter sein, dann esse ich einfach ein luftiges Weißbrot, vorzugsweise ein Pain Boulot, und etwas mildes Olivenöl dazu. Ebenfalls sehr empfehlenswert: In der Eisenpfanne kross angebratene Poltentastücke. Aber auch als Ragù zu Nudeln passen Fleisch und Sauce bestens. Du möchtest es etwas mächtiger? Dann genieße eine durch die Zugabe von Butter cremig gerührte Polenta dazu. Dir steht die Lust nach Kartoffelstampf oder nach Herzoginnen Kartoffeln? Passt ebenfalls! Noch eine Gemüsebeilage dazu gewünscht? In Butter gedünstete feine Möhrenscheiben oder gekochte und dann kräftig in der Pfanne angeschmorte grüne Bohnen gehen immer. Rezepte für die Zubereitung von Polenta in drei Varianen (einfache, cremige und errötende Polenta) findest Du hier.
Auch Linsen bringen das Gericht zum Grinsen
Auf eine sehr schmackhafte Gemüseergänzung bin ich im Blog Schöner Tag noch von Juliane gestoßen, die dort ein Gericht aus dem Kochbuch „Winter. Home Made“ von Yvette van Boven vorstellt. Diese gibt nach zweieinhalb Stunden Beluga-Linsen (ohne Einweichen) mit in den Schmortopf. Tolle Idee, die ich in angepasster Form gerne übernehme. Statt die Linsen zur Mitte der Schmorzeit roh in den Schmortopf zu geben, koche ich (bezogen auf die oben angegebene Beinscheibenmenge) rund 200 bis 250 Gramm davon (statt Beluga-Linsen kannst Du zum Beispiel auch kleine Berglinsen oder Puy-Linsen verwenden) vor, allerdings nur bis circa zur Hälfte der empfohlenen Kochzeit. Beginne ich dann später mit dem Einköcheln der Sauce, gebe ich die Linsen dazu und lasse sie fertig garen – das war’s auch schon. Wie das Ergebnis in Kombination mit kross ausgebratener Polenta aussieht, das zeigen die Fotos hier. Und wie schmeckt es? Erste Sahne, finde ich, probiere es einmal aus!
Service & Zubereitungstipps
Schmoren ist das Erfolgsrezept für viele Fleischgerichte und speziell für sogenannte B- und C-Cuts vom Rind und Schwein, die für ein Kurzbraten beispielsweise als Steak nicht so gut geeignet sind. Zudem macht sich ein Schmorgericht, sind die Zutaten erst einmal im Topf oder Bräter, sozusagen von allein. Bei richtiger Temperatur und ausreichend Flüssigkeit gart das Gericht selbstständig und ohne weiteren "Kontrollbedarf" durch Köchin oder Koch.
Schmorgerichte können im Ofen, aber auch bei kleiner Hitze auf dem Herd garen. Am besten eignen sich dazu gusseiserne Töpfe oder Bräter. Diese speichern und verteilen die Hitze besonders gut und das Fleisch wird gleichmäßig gegart. Übrigens: Wasserlösliche Vitamine und Mineralstoffe werden zwar beim Schmoren teilweise aus dem Fleisch herausgelöst, gehen aber nicht verloren, denn diese gehen ebenso wie die Aromen aus dem Schmorgemüse in den Schmorsud über. Dieser enthätz zudem sehr viele Aromastoffe, die sich durch das weitere Einköcheln des Bratensudes noch weiter zu geschmacksintensiven Saucen konzentrieren lassen.
Warum viel Zeit und Energie in das Schmoren von kleinen Mengen investieren, wenn auch große Mengen in den Topf passen. Meine dringende Empfehlung: Nutze das Dir zur Verfügung stehende Topfvolumen bestmöglich aus. Schmorgerichte schmecken auch am Folgetag - und dann zum Beispiel variiert durch eine andere Beilage - hervorragend. Zudem können sie problemlos eingefroren werden. Dazu das Fleisch ganz abkühlen lassen und in der Sauce einfrieren - es hält sich tiefgekühlt bis zu einem halben Jahr.
Du suchst noch einen guten und günstigen roten Kochwein. Mein zuverlässiger Kochwein-Buddy im Rotwein-Bereich ist seit einigen Jahren ein Wein aus Spanien. Folge dem Link, dann erfährst Du mehr über den Vino Tinto Cepunto.
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Alle Fotos: Moderne Topfologie