Warum? Will ich erklären. Tatsächlich ist der 2015er ein richtig guter. Das Rebjahr verlief perfekt. Ok, mal gab's einen kleinen Hagelschauer da, mal ein bißchen Trockenheit hier, aber das waren alles lächerliche kleine und nur sehr kurzfristige auftauchende Wölkchen, die ein ansonsten sonnenhelles und lehrbuchhaft verlaufendes Wachstumsjahr in keinster Weise trüben konnten. Traubenfäulnis? Kein Thema! Kirschessigfliege? Ausgeflogen! Sauerwurm? Wie ausgestorben! Die Traubenreife? Bei allen Rebsorten im besten Soll! Und dann auch noch ein Herbst, der bilderbuchmäßig verlief und den Winzern bei besten Wetterbedingungen alle Zeit der Welt ließ, die Trauben zum perfekten Lesezeitpunkt und in aller Ruhe heim in den Keller zu holen.
Rheinhessen Silvaner 2015 - die Kollektion. |
Winzer und Konsumenten haben also allen Grund, mit dem Jahrgang 2015 rundum zufrieden zu sein. Schon die allermeisten Einstiegsweine werden tadellose Qualität bieten und in der Spitze werden wohl echte Kracherweine auftrumpfen - und trotzdem . . . so ganz und gar mag ich den 2015er nicht. Warum? Weil ich den Jahrgang auch von zwei anderen Standpunkten aus betrachte. Erster Standpunkt: die Sicht des Weinjägers. Dem macht es einfach Spaß, auf die Pirsch zu gehen und in einer Wüste der Belanglosigkeit die echten dicken und schmackhaften Viecher aufzuspüren und an Land zu ziehen. Sind aber - wie in einem sehr guten Weinjahrgang - alle Weinviecher insgesamt wohlgenährt und nur einige etwas dicker, dann ist die Hatz nach echten Trouvaillen gar nicht mal so aufregend und des Jägers Lohn nicht so umwerfend.
»Aug in Aug mit Millionen von Kirschessigfliegen - da lassen sich Legenden draus stricken.«
Zweiter Standpunkt: die Perspektive des Schriftstellers. In fast allen guten Geschichten kommt mindestens ein großes Hindernis vor, dass der tapfere Heroe bewältigen muss. Und wo sind in einem rundum problemlosen Weinjahr die Helden zu finden? Genau! Nirgends! Ein Weinbauer, der im Herbst des Nachts bei Fackelschein durch den Weinberg streift, mit seinem treuen Leseteam Tausende von sauerfaulen Trauben aus den Beeren herauszuklaubt und später kerngesundes Lesegut erntet - klasse Geschichte. Ein Winzer, der Aug in Aug mit Millionen von Kirschessigfliegen einen Kampf um gute Rotweine ausficht - da lässt sich eine Legende draus stricken. Ein Weinjahrgang ohne große Wetterunbillen und Herausforderungen, der friedlich dahinplätschert und in keiner Weise des Winzers Mut, Können und Geschick herausfordern . . . laaaangweilig!
Tjam! Not - so heißt es ja - macht erfinderisch. Der Weinjahrgang 2015 schmälert mir also den Jagdspaß und liefert keine heroischen Winzergeschichten? Ok, dann, lass' ich mir was anderes einfallen, ums herausfordernd und spannend zu machen, dann . . . dann mach ich den TEST. Und zwar den ganz großen, den einmaligen, den knallharten: Ich nehme ihn mir vor, komplett auf einen Schlag, den gesamten Jahrgang des Rheinhessen Silvaners - alle RS Weine des neuen Jahrgangs 2015 auf einmal. Basta!
RS Rheinhessen Silvaner 2015 - der große Test
Mein Glück: die jüngst präsentierte aktuelle Kollektion des Rheinhessen Silvaners, kurz RS, ist - um es mal so zu sagen - übersichtlich . . . sie besteht aus nur sechs Weinen. Hätt' ich den Test vor rund 30 Jahren zur Geburtsstunde des Profilweins gemacht, ich hätt' ihn wohl nicht überlebt. 100 Weinerzeuger machten damals mit. Das Ziel der RS-Initative: der Region Rheinhessen mit ihrer regionaltypischen Rebsorte Silvaner in trockenem Ausbau ein neues Profil geben. „Damals wurde Rheinhessen mit allem und mit gar nichts in Verbindung gebracht“, blickt Bernd Kern, Geschäftsführer von Rheinhessenwein e. V., zurück. Mit dem trocken ausgebauten Rheinhessen Silvaner begann eine Profilierung des Gebiets, die Kreise zog und bei den Rebsorten Riesling und Burgunder weiter getrieben wurde. Was der RS sein soll: ein rheinhessischer Herkunftswein - ein moderner trockener Wein mit typischer, wiedererkennbarer Stilistik und im identischen Etiketten-Outfit (beim Vorderetikett), aber mit der individuellen Handschrift des jeweiligen Winzers, der auf dem Rückenetikett vermerkt ist. "Der 2015er RS ist eine Visitenkarte für unsere Heimat, ein moderner Klassiker mit wiedererkennbarer Stilistik“, so Alexandra Nehrbass vom RS-Beratungsring.Und wie schmeckt das, was in der RS Flasche steckt? Wird getestet - und zwar jetzt gleich! Ein paar Daten zu den Kandidaten vorneweg: Die sechs Silvaner stammen aus den Weingütern Bungert-Mauer (Ockenheim), Christophorus-Hof und Stefan Leber (beide Mainz-Hechtsheim), Escher (Gau-Bischofsheim), Doll & Göth (Stadecken-Elsheim) und Schreiber (Gundsheim) und haben zwischen 12,5 bis 13 Volumenprozent Alkohol. Der Restzuckergehalt reicht von 4,4 bis 8,2 Gramm pro Liter, die Säure von 5,4 bis 6,8. Was den Konsumenten freuen wird: Der Profilwein macht Rheinhessen zu einem moderaten Preis schmeckbar: Zwischen 4,50 und 6 Euro liegt der Flaschenpreis bei der aktuellen Kollektion.
Die Rahmendaten des Tests: Die sechs Weine kommen wohltemperiert und verdeckt auf den Tisch, sie stehen in Reihe sortiert nach aufsteigendem Restzucker-Gehalt. Drei Personen bilden das Juryteam - zwei alte Hasen (männlich - weiblich) mit rund zwei Jahrzehnten Erfahrung im Wein verkosten und ein Weinadept, der gerade seine 18 Lenze voll gemacht hat und die neue Weinschmecker-Generation repräsentiert. Die sensorische Prüfung und Bewertung der Weine erfolgt in Anlehnung an das 5-Punkte-Schema der Qualitätsweinprüfung der Landwirtschaftskammer, anonym bewertet werden die Merkmale Geruch, Geschmack und Harmonie. Das Ziel: Wir ermitteln die drei Weine, die von der Jury am höchsten bepunktet wurden. Nach Beendigung der offiziellen Probe und Verkündung der Sieger heben wir dann den förmlichen Rahmen auf und eröffnen unsere kleine Rheinhessen Silvaner (Geburtstags)Party - es wird abgefeiert und die Reste in den Flaschen dürfen nach Lust und Laune geleert werden. (Ja, Geburtstagsparty - weil der Leiter der Jury heut' tatsächlich Geburtstag hat - die Silvaner-Probe kommt also genau zur rechten Zeit. :-)) So, los geht's wir testen!
Das Ergebnis: Sieger der Probe ist . . .
Rund zwei Stunden später: Hier sind sie, die drei Weine auf den Medaillenrängen unserer großen Rheinhessen Silvaner 2015 Probe:- Sieger der Vergleichsprobe ist der Rheinhessen Silvaner 2015 aus dem Weingut Escher in Gau-Bischofsheim. Er erreichte 4,9 von 5 möglichen Punkten und damit eine sehr gute Benotung.
- Knapp hinter dem Sieger landete auf dem Sibermedaillen-Rang der Rheinhessen Silvaner 2015 vom Weinhof Schreiber aus Gundheim. Mit 4,6 Punkten erreichte er ebenfalls ein sehr gutes Ergebnis und musste sich dem Siegerwein nur knapp geschlagen geben.
- Bronze geht an den Rheinhessen Silvaner 2015 vom Weingut Stefan Leber aus Mainz-Hechtsheim. Mit 3,4 Punkten erreichte er ein gutes Ergebnis, dass aber nicht ganz an das Punktekonto der Weine auf Platz eins und zwei heranreicht.
Jury-Verkostung geschafft! Jetzt darf angestoßen und genossen werden. |
Das weitere Ergebnis: Ebenfalls gute Punktestände und nur knapp hinter dem Drittplatzierten reihen sich die restlichen Weine ein, zwei davon sicherten sich 3,2 Punkte, einer mit 3,1 Punkten kaum weniger. Noch einige interessante Details zur großen RS Verkostung 2015: Die Jury urteilte insgesamt sehr homogen. So werteten sowohl die Senior- als auch der Juniorverkoster bei dem Wein auf Platz eins und zwei fast identisch. Sowohl Jung als auch Alt haben dabei offenbar eine Präferenz für jene Silvaner, die einen geringeren Restzuckergehalt haben. Die Weine auf Platz eins und zwei haben 6 und 4,4 Gramm Restzucker (bei 6,1 und 5,4 g Säure), der Letztplatziere einen Restzuckergehalt von 8,2 Gramm pro Liter (bei 5,9 g Säure). Bemerkenswert: Auf den Plätzen eins bis drei landeten die drei günstigsten Weine der Kollektion. Mehr noch: Der am höchsten bepunkteten Wein der Probe ist zugleich der günstigste. Der Sieger der Probe kostet 4,50 Euro und ist damit auch der preiswerteste Rheinhessen Silvaner der Kollektion 2015. Der Zweitplatzierte kostet 5,20 Euro, der Drittplatzierte 4,90 Euro. Von den Weinen auf den Folgeplätzen kosten zwei 5,50 Euro und einer 6 Euro.
Gäste des großen Silvanertests: Hauskatze Sir Eagle der Schreckliche von Dusenstein und das Silvaner-Mug-Mug-Monster. |
Mein Fazit: Probieren lohnt sich und ist Pflicht! Die RS Rheinhessen Silvaner haben zwar alle eine identische Flaschengestaltung sowie Etikettierung und drin steckt immer ein geschmacklich deutlich erkennbaren Silvaner, aber nie derselbe. Die geschmackliche Varianz innerhalb der Kollektion ist deutlich zu erkennen und somit auch die Handschrift des Bodens und des Winzers, der den jeweiligen Silvaner in die Flasche brauchte. Also: Wer seinen persönlichen Favoriten herausfinden möchte, der muss selbst zu den RS-Flaschen greifen. Viel Spaß dabei!
Alle Fotos ohne andere Kennzeichnung: Moderne Topfologie
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