30|07|2017 Was für ein beerenstarker Automatismus: Esse ich Heidelbeeren, dann steigen sofort Bilder von einer norwegischen Fjördlandschaft in mir empor. Wie das kommt? Liegt an der Kindheit. Während der verbrachte ich zusammen mit meinen Eltern und vier Geschwistern einen ausgedehnten Sommerurlaub in Norwegen. Wir lebten in einem großen Wohnhaus eines Norwegers, der zwischenzeitlich nach Deutschland umgesiedelt war und sein Elternhaus für Feriengäste vermietete. Das alte Haus lag am Rande eines kleinen Fischerdorfes hoch oben auf einem Felsen über dem Hardangerfjord. Wer schon einmal in Norwegen war, weiß, wie hoch die Lebenshaltungskosten dort sind. Die Folge: Um alle Mäuler der sieben Personen starken Familie stopfen zu können, führten meine Eltern flugs Selbstversorger-Routinen ein. Routine eins: Es wurde so gut wie täglich mit spät am Abend ausgelegten Schwimmnetzen im Fjord gefischt. Die mussten früh (sehr früh) am Morgen wieder eingeholt werden, und zwar noch vor Sonnenaufgang, weil sich ansonsten die mit dem aufkommenden Licht aktiv werdenden Seeigel über die im Netz gefangenen Fische hermachten.
Für meinen Vater, die älteste Schwester und mich bedeutete das: täglich gegen vier Uhr in der Nacht aufstehen, das kleine Boot satteln, zu den Netzen rudern, diese einholen, zurückrudern, den Fang sichten, und den Netzen holen, diese wieder richten und zum Trocknen aufhängen. Alles in allem eine mehrstündige und für Spätaufsteher wie mich mühselige, im Nachhinein betrachtet aber ebenso lehrreiche wie zum Teil aufregende und befriedigende Arbeit.
Routine zwei: Ebenso regelmäßig wurden alle Kinder vom jüngsten bis zum ältesten zum Blaubeer-Pflücken losgeschickt. Dazu kehrten wir dem Fjord den Rücken zu und stiegen zumeist am frühen Nachmittag die Bergflanke hoch in den Wald, wo unter den Bäumen ganze Felder der Waldheidelbeer-Zwergsträucher auf unsere flinken Erntefinger warteten. Die- also die Finger - waren dann nach einiger Zeit ebenso hübsch blau eingefärbt wie die Schnute - denn bei der Ernte wurde selbstredend auch ausgiebig von den Blaubeeren genascht. Ich würde mal schätzen: die Hälfte der Beeren wanderten in die Körbchen, die Hälfte in die Münder.
Aus dem Lesegut zauberte meine Mutter dann unter anderem riesige Mengen von Blaubeermarmelade, von der wir noch lange, lange Zeit nach dem Urlaub zehrten, und einfache, aber extrem schmackhafte Blaubeer-Tartes mit einem herrlich mürben Boden, darauf Rømmekolle (eine halbfette, leicht säuerliche Sahne mit rund 10 Prozent Fettgehalt) und dann Waldblaubeeren. Der Geschmack: Bombastisch! Das ein ums andere Mal haben wir schon versucht, eine Tarte mit Heidelbeeren nach „norwegischem Muster“ nachzubacken, aber - ihr könnt es euch wohl schon denken - genauso wie damals kriegt man das einfach nicht und wohl nie mehr hin.
Aber das heißt ja nicht, dass ähnliche Tartes nicht auch gut schmecken können - so wie die Tarte mit Blaubeeren nach einem Rezept, das ich euch heute vorstellen möchte. Schmeckt etwas anders als mein "norwegisches Original", ist aber trotzdem ein echter "Schmakofatz", von dem man (ähnlich wie wir damals in unserem Norwegen-Urlaub) mindestens drei Stück am Tag wegputzen kann.
Rezept für Tarte mit Blaubeeren
ZUTATEN | für 2 Tarte-Formen mit je ca. 22 bis 24 cm Durchmesser
Für den Boden
- 150 g weiche Butter
- 75 g Zucker
- 1 Ei
- 300 g Mehl
- 1 TL Backpulver
Für die Auflage
- 300 g saure Sahne
- 100 g Crème fraîche
- 1 Ei
- 50 g Zucker
- ½ Vanilleschote
- 500 g Heidelbeeren
ZUBEREITUNG | ca. 45 Min. inkl Backzeit
- Heize den Backofen auf 200 °C (Ober-/Unterhitze) vor. Für den Boden werden Butter, Zucker, Ei, Mehl und Backpulver zu einem Teig verknetet. Buttere dann die zwei Tarte-Formen aus, lege jede Form mit der Hälfte des Teiges aus (gleichmäßig mit den Händen eindrücken) und stelle die beiden Formen für ca. 30 Min. kühl.
- Für die Auflage verrühre die Zutaten saure Sahne, Crème fraîche, Ei, Zucker und das Mark der ausgekratzten halben Vanilleschote miteinander. Verteile dann zunächst den Guss und dann die Heidelbeeren auf die beiden Tarte-Böden. Im vorgeheizten Backofen bei 200 Grad ca. 30 Min. backen.
Heidelbeere - sensibles Früchtchen aus Wald und Kultur
Jetzt hat die Heidelbeere Saison. Die blauen Früchtchen wandern am liebsten direkt von der Hand in den Mund. Aber auch im Joghurt und Sorbet, in Muffins und in Crêpes sind sie ein sommerlicher Genuss. Die Schweden lieben ihre Blaubeersuppe mit kleinen Grießklößchen, etwas Zimt und einem Schuss Sahne. Im Salat und in einem pikanten Risotto sind die Beeren auch ein optischer Hingucker. Wer größere Mengen geerntet hat, kann Heidelbeeren zu Kompott, Saft und Konfitüre verarbeiten.
Heidelbeeren gehören zu den Heidekrautgewächsen. Dabei gibt es große Unterschiede zwischen der Kulturheidelbeere (Vaccinium corymbosum) und der wild wachsenden Waldheidelbeere (Vaccinium myrtillus), die auch Blaubeere genannt wird. Die Waldheidelbeere ist europaweit in lichten Nadelwäldern, Hochmooren und Heiden zu finden und wächst an bis zu 50 cm hohen Halbsträuchern. Die schwarzblauen Beeren sind erbsengroß und sehr aromatisch. Ihr Saft ist aufgrund des blauen Farbstoffs Anthocyan intensiv blau gefärbt. Anthocyane sind sekundäre Pflanzenstoffe. Sie gehören zu den Antioxidanzien, die den Körper vor schädlichen freien Radikalen schützen. Weitere wertvolle Inhaltsstoffe sind Ballaststoffe, Fruchtsäuren, Mangan, Mineralstoffe wie Magnesium, Vitamin E und Vitamin C. Waldheidelbeeren werden in Osteuropa, aber auch in Deutschland wild gesammelt. Im Handel sind sie allerding nur selten zu finden. Die Früchtchen aus dem Wald sollten immer gut gewaschen werden, da sie mit Eiern des Fuchsbandwurms verunreinigt sein können.
Kulturheidelbeere stammt nicht von Waldheidelbeere ab
Im Supermarkt bekommt der Verbraucher viel häufiger die Kulturheidelbeere. Sie ist ursprünglich in Nordamerika beheimatet und stammt nicht von der heimischen Waldheidelbeere ab. Die kirschgroßen Früchte wachsen an bis zu zwei Meter hohen Sträuchern und haben einen deutlich süßeren, aber weniger intensiven Geschmack. Das Fruchtfleisch ist fest und hat nur wenige Kerne. Bei den Mineralstoffen und Vitaminen bestehen kaum größere Unterschiede. Das Anthocyan steckt allerdings nur in der Haut, während Saft und Fruchtfleisch farblos sind. Vorteil: beim Essen bekommt man kaum blaue Zähne.Noch bis Ende Oktober sind Heidelbeeren von heimischen Erzeugern erhältlich. Da die Früchte sehr empfindlich sind, sollten sie vorsichtig transportiert und rasch verbraucht werden.
Quelle Heidelbeer-Info: Heike Kreutz, www.bzfe.de