22|07|2018 Wenn einer eine Reise tut, dann kann er was erzählen . . . und oft auch etwas neues zu Trinken anbieten. Denn wohl die meisten von uns haben wohl schon einmal eine Flasche Wein (oder einige Flaschen) mit aus dem Urlaubsland zurück nach Hause überführt. So halte ich‘s auch – aber ich importiere nicht nur, ich exportiere auch. Ja, ja! Ist der Platz im Auto durch das viele Camping-Gepäck auch noch so knapp, einige Flaschen Heimatwein passen stets noch in eine kleine Lücke rein und reisen mit ins Urlaubszielgebiet, so auch bei unserer jüngsten Reise an die Atlantikküste im äußersten Südwesten von Frankreich. Und ja, ich gestehe es gleich vorweg, in diesem Jahr habe ich‘s besonders dolle getrieben. Die komplette Kollektion eines Naheweingutes wanderte mit in den eh schon prall gefüllten Kofferraum. Du denkst jetzt: „Waaas – Du hast eine komplette Weinkollektion gut 1400 Kilometer durch die Lande geschippert? Das ist doch verrückt!“ Nö, gar nicht so sehr . . . denn zum Glück stammte die Kollektion nicht nur aus einem Weingut namens Klein, sie war‘s auch, also klein, rein mengenmäßig. Ganze vier Flaschen galt es zu verstauen – kriegen wir hin, passt schon, geht rein.
Die Küste in Vieux-Boucau-les-Bains. |
Dass die Kollektion Jahrgang 2016 von Winzer Phil Klein aus dem Weingut Klein so überschaubar und gut verstaubar ist, hat einen einfachen Grund. Das im Weindorf Weinsheim beheimatete Gut ist momentan nicht nur das jüngste Weingut an der Nahe, sondern auch eines der kleinsten. Ende 2015 hob Phil Klein das Gut noch während seines dualen Studiums Weinbau und Oenologie aus der Taufe, seit 2016 bewirtschaftet der 24-Jährige zusammen mit seiner Freundin Christin Leydecker (26), stattlich geprüfte Wirtschafterin für Weinbau und Önologie, Gestalterin für visuelles Marketing und zudem aktuell amtierende Naheweinprinzessin, rund 1,5 Hektar Rebfläche in und rund um seine Heimatgemeinde Weinsheim. Vom Premiere-Jahrgang 2016 wurden vier verschiedenen „Klein(e) Weine“ in rund 6000 Flaschen gefüllt, und zwar ein „Kleiner Sylvaner“ (feinherb), der „Kleine Zarte“ (eine feinherbe Weißweincuveé), ein „Kleiner Riesling“ (trocken) und das „Kleine Herz“, ein trockener Riesling aus dem Steillagen-Herzstück des kleinen Gutes.
Winzer Phil Klein. |
Bereits ein erster Blick auf die Kollektion entlockt mir den Gedanken: „Da schau her, klein aber oho!“. Die in ansprechenden, lichten Blautönen gehaltene Flaschenausstattung und Etikettengestaltung spielt geschickt mit den Anfangsbuchstaben und dem Familiennamen von Phil Klein, und das in einer grafisch klaren und sehr modern anmutenden Art und Weise – das ist äußerst ansprechend und zudem sehr einprägsam. Rein optisch gibt es von mir also schon einmal ein „Daumen hoch!“
Aber können die „kleinen Weine“ auch geschmacklich auftrumpfen? Um dies beantworten zu können, müssen sich die vier Weine auf dem kommunalen Campingplatz in der französischen Gemeinde Vieux-Boucau-les-Bains im Département Landes der Region Aquitanien ins Zeug legen. An zwei Abenden nehmen wir uns zum Essen jeweils zwei Weine zur Brust. Für die perfekte Trinktemperatur unter südlicher Sonne sorgen wir in Ermangelung eines mit Strom betriebenen Kühlschrankes mit einem alten Camping-Hack: Aus einem Trockensack für Kleidung und sonstige Sachen, in den kein Wasser eindringt, wird ein temporärer „Kühlschrank“ gebaut, aus dem kein Wasser ausdringt. Geht ganz fix: Im nahen Supermarkt zwei Beutel Crushed Ice gekauft, Campingsachen aus dem Trockensack rausnehmen, Flaschen rein stellen, Eis drüber kippen, Sack zugerollt – fertig ist der „Kühlbeutel für gewisse Stunden“.
Und los geht das "Klein.Wine Night Tasting": Am ersten Abend knöpfen wir uns zu Rumpsteaks mit Noirmoutier-Kartoffeln in mild gesalzener Butter und einem grünen Blattsalat die beiden Rieslinge Jahrgang 2016 vor. Prägend für den „Kleinen Riesling“ (6 Euro) ist seine ausgeprägte Zitrusaromatik, die bereits in der Nase und umspielt von zarten Pfirsich und Quittenoten deutlich aufblitzt.
Am Gaumen verstärkt sich das Spiel der Zitrusaromen (Limette, rote Grapefruit, ergänzend etwas Apfel und eine feine Mandelnote), die dem schlanken und federleichten Wein (10,5 Vol.% Alk.) einen erstaunlich weit tragenden Abgang bescheren. Unter den Strahlen der südlichen Abendsonne sind (Zitrus)Frische und Filigranität besonders willkommene Qualitäten, der „Kleine Riesling“ passt sehr gut hierhin. Meine Wertung nach Parker-Punkten: 82.
Eine schmeckbare Schaufel mehr Dichte und Komplexität packt das „Kleine Herz“ (11,5 Vol.% Alk.) drauf. Der Duft von rotwangigem Apfel und Aprikose steigt in die Nase, am Gaumen zeigen sich Zitrusfrüchte, Aprikose, eine dezente Kräuterwürze und ein Hauch Feuerstein, der Abgang chargiert zwischen Pampelmuse und dezent steinigen, erdigen Noten. Im direkten Vergleich zum „Kleinen Riesling“ wirkt das „Kleine Herz“ (7,50 Euro) etwas griffiger, dichter, komplexer und saftiger – in diese Richtung darf es weiter gehen. Mein Urteil. 85 Parker-Punkte.
Sandstrand soweit das Auge reicht. |
Am zweiten Abend stehen gebratene fangfrische Sardinen mit Zitronen-Couscous und Avocado-Tomaten-Fetasalat auf dem Speiseplan, dazu wird der „Kleiner Sylvaner“ aufgeschraubt. Vorab beim Kochen wird der „Kleine Zarte“ getestet.
Beide Weine sind feinherb, bringen also etwas mehr Restzucker mit, geschmacklich deutlicher wird dieses Faktum aber beim „Kleinen Zarten“. Die Weißweincuveé (11 Vol.% Alk.) bringt eine deutlich schmeckbare Süße in Kombination mit einer sehr säurearmen Struktur auf die Zunge. In die anschmiegsame und zarte Struktur sind dezente Fruchtnoten (Melone, Aprikose), hauchzarte grasige Komponenten und Anklänge von Nüssen (Mandeln, Macadamia) verwoben. Nomen est omen, der Wein ist tatsächlich der „kleine Zarte“ (6 Euro) in der Kollektion – für meinen Geschmack dürfte der Wein (ich bewerte mit 81 Punkten) bei dieser schmeckbaren Süße aber auch etwas mehr Säure als Kontrapunkt mitbringen.
Der „Kleine Sylvaner“ steigt mit dem (zugegebenermaßen) anspruchsvollen weil fettreichen Essen (Sardine, Avocado, Feta) in den Ring, und siehe da – der Wein schlägt sich ungeachtet seines geringen Alkoholgehaltes (10,5 Vol.%) sehr gut. Der Wein (6 Euro) zeigt in der Nase grüne, grasige Noten sowie ein feinfruchtiges Birnenaroma und entwickelt am Gaumen eine schöne Mundfülle. Obwohl (wie der Vorgängerwein) feinherb, ist die Süße des Sylvaners hier eher dienend als vordergründig, ein exzellentes Bett, in dass sich die Speise einschmiegen kann und dass durch feine Zitrusnoten im Abgang nochmals beflügelt wird. Ein Sylvaner von der Nahe, der Lust auf mehr von dieser Rebsorte macht. Ich spendiere 85 Punkte und ich weiß, dass der Phil zusammen mit Christin noch viel mehr aus dieser Rebsorte herauskitzeln wird. Denn erstens steckt da echtes Potential drin, was bereits der 2016er belegt, und zweitens durfte ich jüngst eine Fassprobe vom „Kleinen Sylvaner 2017“ testen, und der hat mich echt begeistert.
Mein Fazit: Ja, jeder fängt mal klein an . . . aber die „kleinen Weine“ von Phil Klein sind für Frischlinge aus dem Premiere-Jahrgang schon in ansehnliche Höhe geschossen – so darf es bei den jungen Weinmachern aus Weinsheim ruhig weiter gehen. Ich bleibe auf alle Fälle dran – auch hier im Blog, denn für eine Reportage habe ich mich jüngst mit Christin und Phil zu einem langen Gespräch getroffen – mehr zu den beiden, zum Weingut klein.wine von Phil Klein und zu den neuen Weinen des Jahrgangs 2017 also demnächst hier bei Moderne Topfologie.
Christin Leydecker und Phil Klein führen zusammen das momentan jüngste Weingut an der Nahe. |
Alle Fotos: Moderne Topfologie