Generationenwechsel im Schlossgut Diel: Winzerin Caroline Diel steht jetzt allein am Ruder des VPD Weingutes

Armin und Caroline Diel vom Schlossgut Diel.


06|08|2019   Jetzt ist sie alleinige Schloss(gut)herrin, ganz offiziell und ohne Wenn und Aber. Nach mehrjähriger Übergangszeit hat Armin Diel das Schlossgut Diel in Burg Layen an der Nahe vor kurzem vollständig an seine Tochter Caroline Diel übertragen.

Selbstbewusst ist sie, ja, kapriziös keineswegs. In Arbeitsmontur mit „Team-T-Shirt“ und festem Schuhwerk begrüßt Caroline Diel die Presse am frühen Vormittag zum Gespräch. „Ich steh‘ jeden morgen ab 6 Uhr mit dem Team im Weinberg“, erzählt die 39-Jährige, für die es undenkbar ist, Wein zu erzeugen, ohne die Weinberge und deren (aktuellen) Befindlichkeiten bis ins kleinste Detail aus dem Effeff zu kennen. „Das ist schon ein Unterschied zu mir. Ich bin ja nur in die Weinberge gekommen, wenn es dort Pressefotos zu machen gab“, wirft Armin Diel mit einem Schmunzeln ein.

Radikaler Schnitt: Armin Diel räumt im Schlossgut auf


Ganz ernst zu nehmen ist das tatsächlich nicht, denn der 65-Jährige wird seine Weinberge schon etwas besser als nur flüchtig gekannt haben. Ansonsten wäre es auch kaum möglich gewesen, dass der „Quereinsteiger“, der eigentlich Jurist werden wollte, das väterliche Weingut zu solchen Höhen führte. Sein zweitältester Sohn soll in Geisenheim Weinbau studieren und dann später das seit 1802 im Familienbesitz befindliche Gut übernehmen, so lautet der Wunsch des Vaters Dr. Ingo Diel (1924-2008). Doch Armin Diel wünscht sich das nicht. Er zieht nach Münster in die Heimatstadt seiner Frau Monika, die er 1979 heiratet, und nimmt ein Jurastudium auf.

Das Schlossgut Diel in Burg Layen.
Der Turm des Schlossgutes Diel in Burg Layen an der Nahe.



Doch dann gerät das Weingut im fernen Burg Layen in wirtschaftlich unruhiges Fahrwasser und beginnt zu schlingern. Kurz vor seinem ersten Staatsexamen übernimmt der Jurastudent 1987 das Ruder des Betriebes – und er fackelt nicht lang. In einem vom Glykolskandal erschütterten Branchenumfeld krempelt der 34-Jährige das Weingut radikal um. 24 Rebsorten auf zehn Hektar hatte sein Vater anpflanzen lassen, den größten Teil davon lässt Armin Diel aushacken. Alle Flächen mit Neuzüchtungen werden gerodet, für die Neuanlage werden nur klassische Rebsorten wie Riesling sowie weiße und rote Burgunder ausgewählt, die Weine werden (zunächst) ausschließlich trocken ausgebaut. „Ein durchaus waghalsiger Schritt“, wie der 65-Jährige rückblickend einräumt, denn „nach dieser Radikalkur hatten wir nur noch vier Hektar Rebfläche im Ertrag“.


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Kurskorrekturen zeigen Wirkung

Doch Zaudern und Zagen ist nicht die Sache des Armin Diel, der – so Diel über Diel – „oft schon die Antwort parat hatte, bevor überhaupt die Frage gestellt wurde“. Dass der kreative Querdenker (und ab und an auch Querkopf), der sich bereits zu Zeiten seines Jurastudiums einen landesweit bekannten Namen als meinungsstarker Gastronomiekritiker erstritt, auf dem richtigen Kurs ist, beweisen die Folgejahre. Unter dem Management des Strategen und Marketingtalentes Armin Diel, der bei der Arbeit im Weingut stets versierte Kellermeister an seiner Seite weiß, blüht das Gut auf und schiebt sich Jahr um Jahr weiter in die Riege der besten deutschen Weinerzeuger vor. Die Betriebsfläche wächst von zehn auf heute 25 Hektar, davon ein großer Teil in Spitzenlagen wie Dorsheimer Goldloch, Burgberg und Pittermännchen.

Dorsheimer Spitzenlage des Schlossgutes Diel.


1989 wird das Gut in den renommierten Verband der deutschen Qualitäts- und Prädikatsweingüter (VDP) aufgenommen, 1993 wird Diel zum Vorsitzenden des VDP Regionalverbandes an der Nahe gewählt. Dort wie auch im VDP Bundesverband wirkt Diel an bedeutenden Projekten und Entwicklungen wie der VDP Lagenklassifikation mit, die nicht nur die Anerkennung des Weinbaugebietes Nahe im In- und Ausland enorm steigern, sondern auch richtungsweisend für den VDP und den Qualitätsweinbau insgesamt sind. Jüngstes Beispiel des Diel’schen Tatendrangs: „Auch die 2018 vom VDP beschlossene Sektklassifikation hat Armin Diel als Mitglied und Vizepräsident des VDP Bundesverbandes maßgeblich mit angestoßen“, lobt Hilke Nagel, Geschäftsführerin des VDP Bundesverbandes. Nicht unerwähnt bleiben dürfen die Sporen, die sich Armin Diel zudem als Weinkritiker verdiente. Zusammen mit Joel Payne bildete er von 1994 bis 2009 das Chefredaktionsduo für die deutsche Ausgabe des „Gault & Millau Wineguide“ und wirkte in dieser Funktion am Aufstieg der deutschen Vorzeige- und Spitzenweingüter mit.

Hilke Nagel, Geschäftsführerin des VDP Bundesverbandes, Armin und Caroline Diel.

Caroline Diel: Heimkehr ins elterliche Gut nach zehn Jahren Wanderschaft


Und nun die Betriebsübergabe, mit der „nun endlich Weinsachverstand in das Familienweingut einzieht“, wie Armin Diel mit Blick auf die Vita seiner Tochter einräumt. Und tatsächlich: Anders als der „Quereinsteiger“ bringt Caroline Diel eine fachliche Ausbildung in Sachen Weinbau mit. Seit 2007 arbeitet die heute 39-Jährige im elterlichen Betrieb mit, zuvor studierte die diplomierte Önologin in Geisenheim und sammelte Praxiserfahrung in einigen der renommiertesten deutschen und internationalen Weinhäusern, so unter anderem bei Robert Weil, Toni Jost, Dr. Deinhard und Hansjörg Rebholz, in Château Pichon-Lalande in Bordeaux, im Champagnerhaus Ruinart in Reims und in der Domaine de la Romanée-Conti in Burgund.

Ihre erste Feuerprobe im elterlichen Weingut erlebt Caroline Diel direkt nach ihrer Heimkehr im Jahr 2006, als es eine witterungsbedingt extrem schwierige Weinlese zu meistern galt. Bereits im Folgejahr wird sie Kommanditistin der Schlossgut Diel KG und übernimmt zusammen mit Kellermeister Christoph Friedrich die Verantwortung für den An-und Ausbau der Weine. Schritt für Schritt erfolgt dann die Betriebsübergabe. 2012 ernennt Armin Diel seine Tochter öffentlich zur Nachfolgerin. 2017 überträgt Armin Diel Weinberge und Grundstücke an seine Tochter. Diese wird zum vollhaftenden Komplementär der KG, während ihr Vater als beschränkt haftender Kommanditist eine Reihe zurücktritt. Mit der Ende Juni 2019 vollständig vollzogenen Abnabelung vom Betrieb (Caroline Diels Ehemann Sylvain übernimmt die Gesellschaftsanteile von Armin Diel, der als Kommanditist ausscheidet) ist die Übergabe des Weingutes nun abgeschlossen. Caroline Diels Bruder Victor kümmert sich bereits seit einigen Jahren um den für das Schlossgut wichtigen Bereich der Exportmärkte.

Winzerin Caroline Diel zusammen mit ihrem Ehemann Sylvain und ihren drei Kindern.
„Ich wollte zunächst möglichst viele verschiedene Weinstile kennenlernen, um meine eigene Weinvision zu finden." Winzerin Caroline Diel zusammen mit ihrem Ehemann Sylvain und ihren drei Kindern.


Das während ihres Studiums und der gut zehnjährigen „Wanderschaft durch die Weinwelt erworbene Wissen und Fingerspitzengefühl nutzt die Winzerin, um in den renommierten Spitzenweinlagen des Gutes die Stellschrauben Jahr für Jahr noch exakter zu stellen. Ihr großes Ziel ist es, die Herkunft, das Terroir in fein ziselierten und trinkanimierenden Weinen zum Klingen zu bringen. Damit dies gelingt, geht die Schlossgut-Herrin auf enge Tuchfühlung mit jedem Weinberg und versucht, jeden Rebstock optimal auf den Standort, die klimatischen Bedingungen und wechselnden Witterungsereignisse einzustellen. „Bei der Arbeit im Weinberg und am Rebstock gehen wir tief ins Detail. Wir arbeiten extrem individuell und versuchen, mit viel Fingerspitzengefühl und harter Arbeit im richtigen Moment das Beste zu tun“, so die Dipl. Ingenieurin für Weinbau und Oenologie. Denn immerwährende Patentrezepte, so die 39-Jährige, gebe es im Weinbau nicht. „13 Weinjahrgänge habe ich bisher auf dem Buckel. Und die haben mich gelehrt, dass kein Jahr wie das zuvor ist. Jedes Jahr lerne ich neu dazu.“

„Unsere Weine waren nie besser als heute!“
Armin Diel über die Kunstfertigkeit seiner Tochter zur Weinbereitung
 
Dass die Nahewinzerin aus Burg Layen das nötige Wissen und Fingerspitzengefühl dafür hat, um zur rechten Zeit die Stellschrauben in die richtige Richtung zu drehen, belegen die Erfolge des Schlossgutes Diel auf dem Markt und in der Weinkritik. So wird Caroline Diel im Jahr 2017 vom „Feinschmecker“ als „Internationale Newcomerin des Jahres“ ausgezeichnet. Auch für Armin Diel, unter dessen Ägide das Schlossgut Diel in die Spitze der besten Weinerzeuger Deutschlands aufrückte, steht fest, dass die Weine des Gutes unter den Händen der 39-Jährigen nochmals an Finesse und Salzigkeit dazugewonnen haben . . . und er beschließt das Pressegespräch mit einem großen Kompliment an seine Tochter: „Unsere Weine waren nie besser als heute!“

Die neue Kelterhalle des Schlossgutes Diel.
Die neue Kelterhalle des Schlossgutes Diel.


Randnotiz: Was nun, Herr Diel?

Das Thema Wein spielt bei Armin Diel auch nach der Übergabe des Schlossgutes an seine Tochter eine große Rolle. So veranstaltet der 65-jährige geführte kulinarische Weinreisen in die berühmtesten Weinregionen Europas. Fort führt er auch seine journalistische Tätigkeit als Autor des FINE Weinmagazins, aber künftig soll es noch mehr Berichte aus der Feder des versierten Wein- und Gastronomie-Journalisten Diel zu lesen geben, und zwar speziell online. „Die Arbeiten stehen kurz vor der Fertigstellung. In Kürze wird mein Blog online gehen, in dem ich verstärkt Texte veröffentlichen werde“, kündigte Armin Diel an.

Randnotiz: Winzerin des Jahres 2020

Zum zehnten Mal hat das Magazin Falstaff Deutschland Anfang 2020 herausragende Weinpersönlichkeiten geehrte, und ein bedeutender Sieg der „Falstaff WeinTrophy 2020“ geht an die Nahe: Caroline Diel ist „Winzerin des Jahres 2020“.


Freude und Jubel im Schlossgut Diel an die Nahe: Caroline Diel (Foto oben), die im elterliche Weingut in Burg Layen bereits seit 2007 den den An-und Ausbau der Weine verantwortet und im vergangenen Jahr den komplette Betrieb übernahm, wurde gestern Abend im Essener Wasserschloss Hugenpoet mit dem Titel „Winzerin des Jahres“ der „Falstaff WeinTrophy 2020“ ausgezeichnet. Mit ihren mineralisch fokussierten Rieslingen, aber auch mit finessenreich interpretierten Burgundersorten und delikatem Sekt beeindruckt Caroline Diel nicht nur als Stilistin, sondern auch als Allrounderin, hieß es in der Laudatio auf die 39 Jahre alte Nahewinzerin. In der Kategorie ebenfalls nominiert waren Sven Leiner vom Weingut Jürgen Leiner in Ilbesheim (Pfalz) und Johannes Hasselbach vom Weingut Gunderloch in Nackenheim (Rheinhessen).

Caroline Diels Talent wächst und gedeiht. Die 39 Jahre alte Önologin, Ehefrau und dreifache Mutter besitzt die Umsicht und Souveränität, Bewährtes nicht anzutasten und dennoch starke eigene Akzente zu setzen. Heute, so das Urteil der Experten-Jury der „Falstaff WeinTrophy 2020“, interpretiert Caroline Diel die Rolle der Chefin im Schlossweingut mit großer Intelligenz: Indem sie am Bewährten nur kleine Akzente verschiebt. Aber auch, indem sie neue Wege – etwa bei einem behutsameren Holzfassausbau der Burgunder – mit Verve und ohne zu zögern beschreitet. So zeigen die Weine des Schlossguts beides: den roten Faden der Familientradition, und eine zeitgemäße Gestaltungskraft von großer Präsenz.