»Keine Sorge, die tun nichts! Die fressen nur die Blätter, nicht die Trauben.« Leo Gälweiler lacht . . . und ich blicke interessiert. Okay, Pferde als Zugtiere im Weinbau, das kenne ich. Aber was treibt eine Herde Schafe im Weinberg?
30 Rhönschafe reisen an die Nahe
Tierischer Arbeitseinsatz im Familienweingut Gälweiler in Sankt Katharinen. 30 junge Schafböcke tollen Ende August und Anfang September durch einige Weinbergparzellen der Brüder Andreas und Dr. Leo Gälweiler, die das im Jahr 1834 gegründete Naheweingut gemeinsam leiten. Die Aufgabe der unter ein Jahr alten Rhönschafe ist klar definiert. Die Tiere sollen ihre charakteristischen schwarzen und bis hinter die Ohren unbewollten Köpfe in die Traubenzone der Rebstöcke stecken, um genau dort die Blätter abfressen.
Leo Gälweiler mit 1-Liter-Rhönschafen im Weinberg. 1-Liter-Schaf? So nennt er die Tiere scherzhaft, weil sie pro Tag und Tier kaum mehr als 1 Liter Wasser trinken. |
Die tierischen Helfer erledigen also eine Arbeit, die ansonsten vom Winzer zeitaufwendig per Hand und Schere oder maschinell mittels Spezialgeräten, die am Weinbergstraktor angebracht werden, erledigt werden muss . . . und das augenscheinlich beeindruckend gut. »Wir sind total begeistert«, erzählt Leo Gälweiler mit leuchtenden Augen. Einerseits, weil der erstmalige Einsatz der tierischen Mitarbeiter im Weingut so reibungslos klappt, und andererseits, weil die Schafe ihr Arbeit so sauber ausführen. »Das ist wirklich total sehenswert. Die Schafe haben die Traubenzone blitzblank freigestellt«, ist auch Andrea Gälweiler von der akkuraten Fressleistung der Tiere positiv überrascht.
Erledigen ihre Arbeit beeindruckend akkurat: Die von den Schafen säuberlich entlaubte Traubenzone. |
Der Arbeitsauftrag der Schafe: Traubenzone entblättern
Auf die »tierische Idee« gekommen ist Winzerfamilie Gälweiler durch einen ihrer Auszubildenden. Der zeigte ihnen 2019 Fotos von einem Arbeitseinsatz der Schafe in einem Weingut in Bad Kreuznach-Bosenheim. Leo Gälweiler ist interessiert, fährt ins Bosenheimer Weingut und schaut sich das Ergebnis der tierischen Mitarbeiter an. »Ich konnte es zuerst gar nicht glauben. Die Traubenzone sah tatsächlich so aus, als wäre sie akkurat mit der Schere entblättert worden.« Dem Erstaunen folgte der Entschluss: »Das probieren wir 2020 auch aus!«
"Was guckst Du, ich muss arbeiten . . ." Gemeinsam mit 29 Genossen arbeitete dieses Rhönschaft in den Weinbergen der Gälweilers. |
Gesagt, getan: Im August leiht sich Familie Gälweiler 30 junge Rhönschaf-Böcke bei Achim Rathgeber aus. Der ehemalige Geograf aus Wöllstein besitzt rund 400 Schafe, von denen er seit Jahren auch immer wieder einige Tiere für Entlaubungsarbeiten an rheinhessische Weingüter vermietet. In St. Katharinen an der Nahe haben die Tiere nun die Aufgabe, in zwei Wochen die Rebstöck-Traubenzone auf einer Flache von 12.000 Quadratmetern zu entlauben, darunter in einer mit Spätburgunder bestockten Steillage bei Roxheim und in einer Grauburgunderanlage bei Sommerloch. Beide Lagen wählte die Winzerfamilie mit Bedacht aus, denn »diese beiden Rebsorten sind für eine starke Entblätterung der Traubenzone besser geeignet als zum Beispiel der lichtempfindlichere Riesling«, so Leo Gälweiler.
Diplom-Agrarbiologe Dr. Leo Gälweiler mit den tierischen Helfern im Weinberg. |
Baustein für einen umweltschonenden und nachhaltigen Weinbau
Angst, dass sich die vierbeinigen Helfer auch an den Trauben vergreifen, hat er nicht. »Solange die Beeren noch grün und hart sind, fressen die Schafe nur die Blätter.« Das Zeitfenster für den Einsatz der Tiere zum Entblättern ist also begrenzt: Werden die Trauben süße und weich, dann sind sie vor dem Fresstrieb der Tiere nicht mehr sicher. Auch sonst stellen die tierischen Arbeiter einige besondere Anforderungen. So dürfen die Tiere nicht direkt nach Spritzungen mit Rebschutzmitteln im Weinberg eingesetzt werden und mit Kupfer gespritzte Blätter vertragen sie grundsätzlich nicht.
Ansonsten, so Gälweilers Fazit, seien die Tiere ein toller Baustein für einen umweltschonenden und nachhaltigen Weinbau. Im Gegensatz zu schweren Maschinen verursachen sie im Weinberg keine Bodenverdichtung und natürlichen Dünger bringen sie zusätzlich frei Haus in den Weinberg ein«, so der Diplom-Agrarbiologe.
Fotos: Moderne Topfologie
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