22|01|2017 Manchmal muss es einfach Champagner sein? Muss es? Nö! Ein hochwertiger Winzersekt aus einem deutschen Wein- oder Sektgut kann es qualitativ längst locker mit seinem französischen Verwandten aufnehmen - und das oft zu einem weitaus günstigeren Preis. Zwei erstklassige Winzersekt aus der deutschen Parade-Rebsorte Riesling möchte ich heute empfehlen – und zwar einen aus Rheinhessen und einen aus meiner Heimatregion Nahe.
Wenn es was zu feiern gibt, egal ob Geburt oder Hochzeit, ein guter Geschäftsabschluss oder der Jahreswechsel, dann dann liegt oft nichts näher als der Griff zum französischen Schaumwein. Kein Wunder, ist es den Champagnerhäusern durch ihre geschickte Marketing- und Werbestrategie doch gelungen, ihre perlenden Produkte mit einer beachtlichen Portion Prestige aufzuladen. Wer Champagner sagt, assoziiert automatisch Luxus, High Live und Lebensart. Ein Gläschen Champagner - ganz egal aus welchen Erzeugerhaus - reicht, um sich der Welt der Schönen, der Reichen und ganz schön Reichen nahe zu fühlen, das schaffen mit dieser Wirkmächtigkeit nur die allerwenigsten Weingüter.
Winzersekt - der Herkunft und Winzerhandschrift verpflichtet
Ein Image wie dieses aufzubauen wird deutschen Sekterzeugern wohl in 1000 Jahren nicht gelingen, auf verlorenem Posten steht Schaumwein aus deutschen Landen aber mitnichten. Denn der deutsche Winzersekt erntet seit einigen Jahrzehnten immer mehr Zuspruch und die beste Vertreter dieser Klasse stehen qualitativ längst auf Augenhöhe mit den Vorzeigeprodukten französischer Champagnerhäuser. Kein Wunder, werden bei diesen Qualitätsschaumweinen doch die gleichen Produktionsschritte (Méthode Champenoise, traditionelle Flaschengärung) wie beim Champagner angewandt. Ein großer Unterschied: Champagner darf nur aus einigen wenigen festgelegte Rebsorten erzeugt werden - nahezu ausschließlich genutzt werden die roten Burgundersorten Pinot Noir (Spätburgunder) und Pinot Meunier (Schwarzriesling) sowie die weiße Sorte Chardonnay. Für Winzersekt gibt es indes keine Rebsortenvorgabe, jeder Winzer darf hier aus dem Vollen schöpfen und für die Sekterzeugung beispielsweise Riesling, Elbling, Kerner und Silvaner, Spätburgunder, Trollinger, Portugieser und Dornfelder, Weiß- und Grauburgunder oder Chardonnay nutzen. Wer diese Flexibilität in Kombination mit der traditionelle Flaschengärung einzusetzen weiß, kann individuelle, charakterstarke Schaumweine schaffen. Beste Winzersekte aus Deutschland reflektieren die persönliche Handschrift des Winzers, denn die Trauben stammen nur aus eigenen Weinbergen und die Auswahl und Zusammenstellung der Rebsorten für den Sektgrundwein ist allein Winzersache.Zwei hochwertige und besondere Winzersekt, über die ich in den vergangenen Monaten „gestolpert“ bin, möchte ich heute empfehlen. Beide wurden aus der deutschen Parade-Rebsorte schlechthin - dem Riesling - erzeugt, beide rangieren in der Premiumkategorie und beide zeigen - wenn auch auf unterschiedliche Weise - Charakter und Handschrift. Ich stelle vor:
- 2014 Riesling brut Rheinhessen 1816 - Erzeugergemeinschaft Winzersekt GmbH aus Spendlingen in Rheinhessen
- 2010 Riesling brut nature Réserve - Wein- und Sektgut Bamberger aus Meddersheim an der Nahe
Riesling brut nature Réserve - Winzersekt aus Meddersheim
Über die aktuelle Sektkollektion des Wein- und Sektgut Bamberger aus Meddersheim an der Nahe habe ich bereits vor einigen Monaten hier im Blog unter dem Titel Das perlt! Riesling- und Pinot-Sekt von der oberen Nahe berichtet. Die Sektherstellung ist ein echtes Alleinstellungsmerkmal des Wein- und Sektgutes, annähernd 20 Prozent der gesamten Traubenernte ist bei Familie Bamberger für die Sekterzeugung reserviert. Probieren durfte ich das Sektsortiment des Gutes bei der Frühjahrespräsentation 2016, anschließend stellte ich vier Bamberger-Sekte (zwei Riesling und zwei Pinot Sekte) im Blog vor. Von einem Sekt konnte mir Winzer Heiko Bamberger damals nur erzählen, denn die Spitze seiner Rieslingsekte, der 2010er brut nature Réserve (12.5% A., GS 7,7 g/l; RZ 2,2 g/l, Preis 29 Euro), hatte damals die Lagerzeit nach der zweiten Gärung in der Flasche noch nicht abgeschlossen. Ende 2016 wurde dieser besondere Winzersekt nun degorgiert und jüngst konnte ich eine Flasche davon probieren. Meine Einschätzung in einem Wort: Wow!
Hat Rasse und Klasse: der Riesling brut nature Réserve. |
Bereits der 2011er brut Réserve (21 Euro), der über 50 Monate auf der Hefe lagerte, war ein Riesling-Sekt mit Rasse und Klasse (und der Favorit meiner damaligen Verkostung), der Brut nature Réserve legt nun noch ein Schippe drauf. Insgesamt 60 Monate reifte der Rieslingsekt in der Flasche auf der Hefe, er wurde im Keller des Gutes handgerüttelt und degorgiert und weist mit nur 2,2 Gramm Restzucker eine im Vergleich zum Brut Reserve (ca. 5 bis 6 Gramm) noch geringere Restsüße auf. Die Trauben für den Sekt wuchsen auf einem Hochplateau mit Gestein aus dem Rotliegenden, die Reben haben dort ein Alter von rund 30 Jahre auf dem Buckel. „Für diesen besonderen Sekt haben wir nur beste Rieslingtrauben selektiert, sehr schonend behandelt und im Edelstahl sehr reduktiv vergoren und ohne Dosage ausgebaut“, so Heiko Bamberger. Das Ergebnis überrascht: Obwohl der Sekt ein Alter von fünf Jahren Flaschenreife mit sich bringt, schmeckt er ungemein frisch und lebendig. Frucht und Rasse springt einen geradezu an und lassen deutlich erkennen, dass hier die Königsweißweinsorte Riesling den Ton angibt. Rieslingtypisch ist auch die lebendige Säure (7,7 g/l), die dem Sekt besonders im Nachhall einen rassigen Abgang beschert und die von einer sehr sanften, schmeichelnden Perlage bestens begleitet wird. Grandios ist der Geruch des Brut Nature: Die Fruchtaromen des Riesling (Apfel, Aprikose und Zitrone) sind feinst verwoben mit Aromen von süßem Brioche und Hefe, Rosinen, feinstem Marzipan und Orangeat - man mag die Nase gar nicht mehr aus dem Glas erheben, ist diese Geruchspotpourri doch einfach zu elegant, komplex und verführerisch. Am Gaumen spielen Zitrus- und Gelbfruchnoten die erste Geige, der Geschmack von kleinen Bananen und Kokosraspeln sowie eine feine Röstnote klingen an. Im Abgang schaffen sich - befeuert durch eine vibrierende Säure - Limette und nasse Bachkiesel Raum - der Riesling strahlt noch einmal hell und klar auf.
Winzer mit einer besonderen Sektleidenschaft: Heiko Bamberger. |
Meine Einschätzung: Krasser Stoff. Wer eleganten Riesling mit Rasse mag, wird diesen Sekt lieben. Empfehlung des Erzeugers: „Sperren Sie den Brut Nature Réserve nicht in einer Sektflöte ein, sondern gönnen sie ihm ein großes Weinglas, damit er seine Fülle an Aromen bestens entfalten kann“, so Heiko Bamberger.
„1816“ Riesling brut Rheinhessen - Winzersekt aus Sprendlingen
Ebenfalls aus Riesling-Rebholz geschnitzt ist der Riesling brut Rheinhessen 1816 aus der in Sprendlingen beheimateten Erzeugergemeinschaft Winzersekt GmbH. Erstmals kennen gelernt habe ich den Sekt bei der Veranstaltung „Tastival 2016“ (siehe dazu auch meinen Blogartikel Kulinarische JamSession: Flanieren und probieren, plaudern und genießen, wo der Sekt zu einem geräucherten Forellenfilet mit Apfelschmand und geröstetes Brioche kombiniert wurde. Eine äußerst gelungene Verbindung, die den Sekt nachdrücklich in meinem Gedächtnis verankerte. Auch die spätere Nachverkostung in den heimischen vier Wänden bestätigte den Eindruck: dieser Riesling Sekt aus einer Erzeugergemeinschaft kann tatsächlich was.Der 1816 ist sozusagen das besondere Geburtstagsgeschenk der Winzersekt-Erzeuger aus Sprendlingen an ihr Heimatland Rheinhessen, das 1816 gegründet wurde und im vergangenen Jahr das 200-jährige Bestehen feierte. Konzipiert als Spitzensekt aus Rheinhessen und vinifiziert aus selektierten Trauben soll der "1816" auch an die Geschichte des Peter Gimbel in Erinnerung rufen, der den ersten Rheinhessen Winzersekt in die Flasche brachte. Ende des 18. Jahrhunderts besuchte Gimbel, Kellermeister des Mainzer Kurfürsten, einen Schwager in Frankreich. Hingerissen von dem dort erlebten perlenden Champagner-Genuss machte er sich nach seiner Rückkehr sogleich daran, das einzigartige Geschmackserlebnis auch auf deutschem Boden herzustellen. Sein prickelndes Experiment glückte ihm gleich derart, dass ihm der Revolutionsgeneral Custine nach der ersten Verkostung des „Winzersektes“ auf der Stelle einen französischen Orden verleiht. Mainz darf somit den Ruhm der frühesten erfolgreichen Sektherstellung in Deutschland für sich beanspruchen.
Seither wurde und wird die Sekt-Tradition in Rheinhessen in vielfältiger Weise fortgeführt, unter anderem durch die 1981 gegründeten Erzeugergemeinschaft Winzersekt, in der sich einige rheinhessischen Winzern zusammenschlossen, um gemeinsam deutschen Sekt von hoher Qualität ausschließlich nach dem Verfahren der traditionellen Flaschengärung herzustellen. Mit dem Riesling brut Rheinhessen 1816 ist dies den Sekterzeugern aus Sprendlingen hervorragend gelungen, der Sekt (Alk. 12,5 % vol.; GS 7,1 g/l; RZ 13,0 g/l, neun Monate Reifezeit, Preis ohne Sonderverpackung 18.16 Euro) ist ein echtes Ausrufezeichen. In der Nase dominieren der Geruch von Birne, reifer Apfel, Hefe, Mandel und Champignons, am Gaumen schmiegt sich die etwas höhere, dezente schmeckbare Restsüße des Sektes (13 g/l) an die Aromen von süßem Apfel, Granatapfel, getrockneter Aprikose, Brotkruste und Rosinen. Im Nachhall blitzen begleitet von der langanhaltenden und feingliedrigen Perlage zarte Zitrusnoten, Mandarine und wilde Erdbeere auf, die dem Sekt einen feinfruchtigen, saftigen und animierenden Abgang bescheren.
Perfekte Kombi:
Geräucherten Forellenfilet mit Apfelschmand und
geröstetes Brioche plus"1816".
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Größter Unterschied des „1816“ zum Brut nature Réserve von Heiko Bamberger ist neben der unterschiedlichen Reifezeit (neun Monat zu 60 Monate) die Restsüße, die beim „1816“ mit 13 Gramm pro Liter deutlich und schmeckbar höher liegt als beim Brut nature mit seinen 2,2 Gramm. Das passt zur Ausrichtung der beiden Sekte: der Brut Nature Réserve ist ebenso komplex wie zartgliedrig, er ist insgesamt feinperliger, eleganter, rassiger und rieslingtypischer als der „1816“, der aromatisch etwas breiter, süßer und hefebetonter aufgestellt ist. Sehr gut gelungen sind - finde ich - beide Winzersekte. Müsste ich Parker-Punkte vergeben, ich würde dem Riesling brut 1816 Rheinhessen 89 und dem Brut nature Réserve 92 davon spendieren. Einsatzgebiet: den Brut nature Réserve von Heiko Bamberger bevorzuge ich als Solisten, um ungestört und ohne Ablenkung in diesen Ausnahme-Rieslingsekt sozusagen kontemplativ hineinschmecken zu können. Den Riesling brut Rheinhessen 1816 aus der Erzeugergemeinschaft Winzersekt präferiere ich zuvorderst als Essensbegleiter - beispielsweise zu einer Vorspeise.
Randnotiz
Weitere Informationen findet Ihr zudem in einem Artikel, den Dorit Schmitt für ihr AROMENSPIELE | Online Magazin geschrieben hat. Dorit hatte die Gelegenheit, jüngst zusammen mit Boris Maskow und Daniel Kötz (beide Oficier de l'Ordre des Coteaux de Champagne) die aktuelle Sektkollektion im Gut gemeinsam mit Heiko Bamberger zu probieren. Zum Bericht über die Verkostung gelangt ihr beim Klick auf den Link hier.
Service & Bezugsquellen
Der Bamberger-Sekte kannst Du direkt im und über das Wein- und Sektgut Bamberger beziehen. Den 1816 Jubiläumssekt der EZG Sprendlingen bekommst Du unter anderem hier*.Randnotizen
Die Deutschen sind Weltmeister im Sekt trinken. Mit einem Pro-Kopf-Verbrauch von 3,7 Litern Sekt oder rund fünf Sektflaschen pro Jahr liegen sie weltweit an der Spitze. Beim überwiegenden Teil der konsumierten Sekte handelt es sich um Markensekte, die oftmals nicht aus heimischen Trauben bereitet wurden. Steht der Begriff „Deutscher Sekt“ auf dem Etikett, dann stammen die Grundweine zu hundert Prozent aus dem eigenen Land, wobei bei diesen Produkten der Verschnitte von Weinen aus verschiedenen Anbaugebieten erlaubt ist. Die strengsten Anforderungen gelten für die nach dem traditionellen Flaschengärverfahren hergestellt Qualitätsschaumweine, zu denen die Winzersekte zählen.Geschmacksstufen
Das trocken nicht gleich trocken ist, merkt schnell, wer zuerst einen trockenen Wein und direkt danach einen trockenen Sekt trinkt. Im Vergleich zum Wein sind die Geschmacksbezeichnungen beim Sekt anders geregelt. So liegt der gesetzlich erlaubte Restzuckergehalt für einen trockenen Sekt (17 bis 35 Gramm pro Liter) deutlich über dem eines trockenen Weins (je nach Säure max. 9 Gramm pro Liter). Und das verbirgt sich hinter den Geschmacksangaben für deutsche Sekte:
- brut nature 0-3 g/l
- extra brut 0-6 g/l
- brut 0-15 g/l
- extra trocken 12-20 g/l
- trocken 17-35 g/l
- halbtrocken 35-50 g/l
- mild über 50 g/l
Lagern
Anders als Wein, der am besten liegend aufbewahrt wird, sollte Sekt immer stehend gelagert werden - allerdings auch nicht zu lang. Zum Zeitpunkt seiner Auslieferung hat der Sekt üblicherweise bereits seine optimale Trinkreife erreicht und er wird, anders als zum Beispiel hochwertiger Weiß- oder Rotwein, durch eine längere Lagerung selten besser. Also: Nicht zu lange mit dem Entkorken des Sektes warten, maximal sechs bis zwölf Monate.
Servieren
Sekt schmeckt kühl serviert am besten, wobei junger Schaumwein etwas kühler getrunken werden sollte als älterer. Richtwerte für die Serviertemperatur: Weißer Sekt: 6–7 ° C . Rosé-Sekt: 6–8°C. Roter Sekt: 9–11°C.
Sektkelche sind für den Sektgenuss nicht optimal, empfehlenswert sind Gläser in schlanker Tulpen- oder Flötenform. Diese Gläser nicht bis kurz unter den Rand, sondern nur bis zu zwei Drittel hoch füllen, damit sich das Aroma voll entfalten kann. Um die Aroma-Entfaltung noch mehr zu fördern, empfiehlt sich für hochwertige und ältere Sekte auch die Verwendung von schmalen und hohen Weißweingläsern. Wichtig: Sektgläser nur mit klarem Wasser spülen, denn Spülmittelreste lösen die Kohlensäure aus dem Sekt.
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