04|06|2017 „Und? Keine Lust, einen Orange Wine zu machen?“, frage ich. Winzer Heiko Bamberger lacht, seine blauen Augen unterstreichen das Lachen mit einem freundlichen Funkeln. Seit gut zwei Stunden sitze ich in der Vinothek des Wein- und Sektgutes Bamberger in Meddersheim und unterhalte mich. Ich löchere den 47-Jährigen mit Fragen. Zu seinen Weinen im Allgemeinen und zu denen des neuen Jahrgangs 2016 im Speziell. Welche Besonderheiten prägen seine besten Weinberge, was treibt ihn als Wein- und Sekterzeuger an, wie würde er seine Betriebsphilosophie in Worte kleiden? Ich bin am Ende meiner Frageliste angelangt - spontan füge ich die Frage nach den „Orange Wines“ hinzu, jenen „Orangenen Weinen“, die wie Rotweine mittels Maischegärung erzeugt werden (die Weißweintrauben werden mit den Beerenschalen vergoren) und seit einiger Zeit extrem „hip“ sind.
Heiko Bamberger richtet seinen Blick einen Moment nach innen, denkt über die Frage nach. Dann schüttelt er leicht den Kopf und deutet durch das große Panoramafenster nach draußen. „Nein!“, sagt er. „Nein, ich möchte das da draußen in meinen Weinen einfangen und ausdrücken, dieses Stück Heimat, diese Weinlandschaft. Dazu brauche ich keine Orange Wines.“
Winzer und Sekterzeuger Heiko Bamberger. |
Wie zum Beleg schießt mir der Geschmack eines Weines auf die Zuge, den ich eine Woche zuvor bei der Jahrgangspräsentation der Bambergers probierte: 2016er Gutsriesling trocken. Der Einstiegsriesling in die Welt der Bamberger-Weine hat einen nachhaltigen Eindruck bei mir hinterlassen. Ein feiner Pfirsichduft steigt in die Nase, am Gaumen schälen sich Aromen von Galia-Melone und eine feine Lorbeer-Würze heraus. Zitrusnoten und eine steinig-salzige Nuance klingen auf, die durch eine gut eingebundene, aber „pfiffige“ Säure weit in den Abgang hinein getragen werden. Ein toller Gutriesling, ein klasse Wein, der es auf meiner gerade erst eröffneten Sommerwein-Favoritenliste weit nach oben schaffen dürfte.
Wein- statt Maschinenbauer - gute Entscheidung!
In den Gutsriesling fließen Trauben aus den drei Spitzenlagen des Gutes ein, und jede Lage bringt ihre spezifische Stärke in der Cuvée zum Ausdruck: „Beim Monzinger Frühlingsplätzchen sticht die salzige Mineralik hervor, der Meddersheimer Altenberg zeigt eine prägnantere Säure und der Meddersheimer Rheingrafenberg bringt zumeist Weine mit mehr Reife, Länge und Kraft hervor“, so Heiko Bamberger. Dessen Familie bewirtschaftet seit Generationen diese drei ausgezeichneten Steillagen an der oberen Nahe, die höchsten Weinberge liegen auf knapp 300 Meter über Normalnull.Den Boden für das heutige Wein- und Sektguts legten einst die Großeltern mit ihrem landwirtschaftlichen Gemischtbetrieb inklusive Fassweinverkauf. Deren Sohn Karl-Kurt schiebt ab 1968 den Flaschenweinverkauf an, nur ein Jahr vor der Geburt von Heiko Bamberger. Der heutige Seniorchef richtet den Betrieb in den 70er Jahren sukzessive auf den Weinbau aus und beginnt 1984 parallel mit der eigenständigen Versektung. Eine Phase, die im Rückblick auch prägend für Heiko Bamberger ist. Da er in der Schule Französisch lernt, darf er Jahr für Jahr als junger „Übersetzer“ zusammen mit seinem Vater nach Frankreich in die Champagne reisen, wo Karl-Kurt Bamberger eine Freundschaft mit Champagner-Erzeuger Maurice pflegt, mit dem der Naheländer sein Wissen über und Verständnis von der Erzeugung edler Schaumweine vertieft. „Für mich als junger Bursche war das eine spannende und erlebnisreiche Zeit“, so Heiko Bamberger.
Ute Bamberger und ihr Sohn im Vinotheksverkauf. |
Gleichfalls Wein- und Sektbauer werden, dass kam ihm aber zunächst nicht in den Sinn. „Mit 19 wollte ich Maschinenbauer werden“ erinnert er sich. Doch es kommt anders: Die Zeit bei der Bundeswehr sowie Praktika in Maschinenbau-Betrieben lassen in ihm die Einsicht reifen, dass die Arbeit in einem Weingut mehr Freiraum für eigenständiges Entscheiden und Arbeit, Kreativität und Selbständigkeit lassen. Der Spross der Winzerfamilie entschließt sich, nun doch in die Fußstapfen seiner Vorfahren zu treten, er beginnt ein Studium an der Hochschule in Geisenheim und legt 1994 sein Diplom als Ingenieur für Weinbau und Oenologie ab. Zu diesem Zeitpunkt steht für Heiko Bamberger fest, dass die Entscheidung zugunsten des Weinbaus die richtige war, denn bereits mit der Weinlese 1993 übergibt Vater Karl-Kurt Bamberger die technische Verantwortung für den Ausbau der Weine und Sekte an seinen zum damaligen Zeitpunkt 24 Jahre alten Sohn.
Das Mantra: Qualität, Klarheit und Stringenz
Heute führt der Diplomingenieur für Weinbau und Oenologie zusammen mit seiner Frau Ute eigenverantwortlich den Betrieb, in dem Jung und Alt wie seit alters her die Weinberge Hand in Hand bearbeiten. Was sich in den vergangenen Jahren geändert hat? 1993 verfügte das Wein- und Sektgut über 6,5 Hektar Rebfläche, heute ist es mit rund 15 Hektar mehr als doppelt so viel. „Wenn es sich anbot, haben wir gute Lagen dazu gekauft, speziell sehr gute Rieslinglagen im Frühlingsplätzchen, im Alten- und im Rheingrafenberg“, so Heiko Bamberger. „Aber nur solche Lagen, die unseren Qualitätsvorstellungen entsprochen haben, denn Qualität war und ist immer unsere Maxime, auch beim Wachstum.“Blick auf Meddersheim. |
Die Fokussierung auf Qualität bestimmt das Wirken im Weingut- und Sektgut Bamberger in allen Bereichen. Um die Stärken des Gutes klar herauszuarbeiten, dünnte Winzer und Sekterzeuger Heiko Bamberger in den vergangenen Jahrzehnten den Rebsortenspiegel und das Weinsortiment aus, um sich auf die klassischen und für die Nahe stilbildenden Rebsorten zu konzentrieren: Riesling, Weiß- und Grauburgunder sowie Spätburgunder nehmen heute den Großteil der Rebfläche ein, einige wenige andere rote Rebsorten sowie Rivaner und Gewürztraminer nur noch einen Bruchteil. Um die charakteristische Eigenart, das Terroir der jeweiligen Rebflächen heraus zu kitzeln, werden alle Weine von Heiko Bamberger parzellengenau in zumeist kleinen Gebinden eingelagert und spontan angegoren. Zur Betonung von Finesse und Frucht erfolgt der Ausbau der Weißweine im Edelstahl („Mit der klaren Stilistik dieser Weine bin ich groß geworden, das ist unser Betriebsstil“), die weißen und roten Burgunder mit Lagenangabe reifen entweder in großen Holzfässern oder auch in kleinen Barriques weiter. Das Streben nach dem Wesentlichen, nach Klarheit und Stringenz spiegelt sich auch in der Außendarstellung wider. Die Etikettengestaltung und der Internetauftritt der Gutes werden „aufgeräumt“ und aufeinander abgestimmt modernisiert, die Fokussierung auf Charakterwein und hochkarätige Sekte bestimmt die Darstellung des Gutes auf der Internet-Homepage und in den gutseigenen Prospekten.
Einblick in die Vinothek des Wein- und Sektgutes. |
Die Marschrichtung ist klar definiert: Nicht mehr vom Beliebigen, sondern weniger vom Besonderen - so lässt sich das Streben der Meddersheimer Winzerfamilie nach dem qualitativ besonderen, dem gradlinig-klassischen, dem puristischen und charakterstarken Wein- und Sektgenuss auf den Punkt bringen. Basis und Garant dafür sind die bereits erwähnten drei Spitzenlagen des Gutes: das Monzinger Frühlingsplätzchen, der Meddersheimer Altenberg und der Meddersheimer Rheingrafenberg.
Lagentrio: Frühlingsplätzchen, Altenberg, Rheingrafenberg
Monzinger Frühlingsplätzchen |
Die gutseigenen Rebanlagen im Frühlingsplätzchen liegen östlich der Gemeinde Monzingen. Dort ist der Boden durch Quarzit mit Anteilen von grauem Schiefer dominiert. „Stilistisch stechen die Weine aus dem Frühlingsplätzchen durch Aromen von hochreifen gelben und zum Teil exotischen Früchten hervor. Charakteristisch ist zudem eine salzige Mineralität und reife Säure“, so Heiko Bamberger.
Meddersheimer Altenberg |
Die Lieblingslage von Heiko Bamberger ist der Meddersheimer Altenberg, der durch die Gesteinsart Rotliegendes geprägt ist. „Dort wachsen charakterstarke, vom Stil her etwas kühlere Rieslinge mit den charakteristischen Noten von Pfirsich, Aprikose und Mirabellen in Kombination mit einer kräutrigen Würze. Die Rieslinge von dort bringen in jungen Jahren eine prägnante Säure mit und brauchen zumeist mehr Zeit für die volle Entwicklung.“
Meddersheimer Rheingrafenberg |
Konglomerat-Gestein mit eingestreutem Quarzit ist charakteristisch für den Meddersheimer Rheingrafenberg. „Vom Stil her liegen die Weine aus dieser Lage zwischen denen aus dem Frühlingsplätzchen und von Altenberg, die Weine von dort zeigen eine etwas ausgeprägtere Reife, Kraft und Länge.“ Zu Gute kommt dies speziell den Weiß- und Grauburgunder Lagenweinen des Gutes, die aus dem Rheingrafenberg stammen.
Die Weinlagen rund um Meddersheim. Karte: DWI |
Wie gut die Lagen in einer Cuvée zusammen wirken, das hat bereits der oben erwähnte Gutsriesling 2016 demonstriert. In den trockenen Lagenweinen des Gutes lässt sich den urtypischen Eigenschaften und Charakteristika der einzelnen Spitzenweinberge nachspüren. Beispiele aus der jüngsten Frühjahrspräsentation:
Obwohl noch jung und in der Nase von einer feinen Hefenote durchzogen, zeigt der Lagenriesling Monzinger Frühlingsplätzchen 2016 bereits jetzt, was in ihm steckt. Gelbfrucht-Düfte und eine feine Würze durchziehen den Wein, der am Gaumen sehr zentriert und trotz seiner Jugend bereits sehr harmonisch wirkt. Je länger der Wein auf der Zunge verweilt, desto mehr schälen sich Noten von Limette und roter Grapefruit hervor und feine Gerbstoffe bringen den Gaumen zum Schwingen - man vermeint, regenfeuchten Schiefer zu schmecken.
Der Altenberg Riesling aus dem Vorgängerjahrgang 2015 wirkt bereits in der Nase reifer und runder. Der Wein verfügt über einen feinen Schmelz. Eine dezente und mit würzigen Komponenten verwobene Honignote umschmeichelt die Gelbfruchtaromen, im Nachhall bauen Zitrusnoten in Kombination mit einer sich weiter herausschälenden Würze nochmals Zug auf, ein kühler, frischer Duft von nassen Bachkieselsteinen unterstreicht den mineralischen Charakter.
Auf den Punkt herangereift zeigt sich der Riesling Frühlingsplätzchen Réserve Jahrgang 2014. In der Nase balgt sich eine intensive Aprikosenfrucht mit beerigen, rosinigen Düften, am Gaumen klingen saftiger Pfirsich, ein Hauch von Birne, kleinen Erdbeeren, eine Spur Champignons und der Duft von frischem Lorbeerblatt auf, eine feine kräutrige Würze zieht den Abgang in die Länge. Finesse und Tiefe, feine Frucht und Würze sind im Frühlingsplätzchen Réserve 2014 perfekt verwoben und spannen ein breites aromatisches Panorama auf - mein trockener Lieblingsriesling der aktuellen Kollektion von Heiko Bamberger.
Gut Wein will Weile haben: Mehr Zeit für mehr Qualität
Drei Lagenrieslinge aus drei unterschiedlichen Jahrgängen - die zuvorderst etwas über ihre Herkunft erzählen, aber zugleich auch über eine weitere Facette im „Qualitätsmosaik“ von Heiko Bamberger bebildern - und diese Facette heißt ZEIT. Genau diese räumt der Winzer seinen Weinen zum Heranreifen ein, und so steht aktuell das Frühlingsplätzchen des neuen Jahrgangs 2016 gar nicht auf der Verkaufsliste, während der Riesling Réserve aus 2014 erst jetzt in den Verkauf gekommen ist. Das hat System, wie Heiko Bamberger erläutert „Wo steckt die Qualität der Weine. In der guten Herkunft, in erstklassigen Lagen, in einem guten Jahrgangsverlauf und im behutsamen und schonenden Ausbau, klar. Aber: Qualität steckt auch in Faktor Zeit. Viele junge Weine werden viel zu oft viel zu früh präsentiert. Dabei brauchen die Weine Zeit, bis sie sich optimal in der Flasche präsentieren - und genau diese Zeit geben wir unseren Weinen und auch Sekten.“Eine Haltung, die sich im Weinsortiment der Bambergers widerspiegelt. Im Bereich der Lagenweine ist aktuell kein Wein aus dem jüngsten Jahrgang 2016 gelistet, diesen wird noch mehrere Monate Reifezeit in der Flasche gegönnt. Und die Réserve-Weine, die in Sachen Qualität und Lagerfähigkeit die Spitze der Lagenweine darstellen und nur in dafür geeigneten Jahren erzeugt werden, kommen grundsätzlich erst nach einer zweijährigen Flaschenreife in den Verkauf - frühestens: „Brauchen diese Weine noch mehr Zeit, dann bekommen sie diese auch.“ „Klar“, räumt der Meddersheimer Winzer ein, „das Neue, also der neue Jahrgang erregt beim Kunden immer die größte Neugierde. Aber wir arbeiten seit Jahren daran, deutlich mitzuteilen und mit unseren Weinen auch zu zeigen: Warte mal, lass‘ diesem Wein noch etwas mehr Zeit! Dann wirst Du mit dem bestmöglichen Genuss belohnt.“
Passt! Ich finde: Das klingt klar, das klingt konsequent, das klingt unverkennbar nach Heiko Bamberger - dem Naheländer und Winzer, der nicht mehr vom Beliebigen, sondern weniger vom Besonderen möchte - und das zum bestmöglichen Zeitpunkt.
Randnotiz
Bereits die Spätlese 2015 (zwischen 70 und 80 g Restzucker) setzt ein deutliches Ausrufezeiten und demonstriert mustergültig, zu welch einem phantastischen Süße-Säurespiel die Rebsorte Riesling fähig ist. Der Wein verströmt üppige Aromen von reifen Gelbfrüchten von (Mandarine, Honigmelone, Pfirsich, Aprikose), die auf der Zunge von einem Hauch Karamell umschmeichelt und durch eine extrem animierende Säure zum Tanzen gebracht werden. Diesem Tanz gibt man sich gerne hin, denn der Wein gleitet klar und frisch über die Zunge und jeder Schluck animiert zum nächsten. Meine persönliche Wertung: 92 Parker-Punkte.
Noch eine Spur intensiver und facettenreicher ist das fulminante Fruchtspiel der Riesling Auslese 2015, die zum Gelbfrucht-Feuerwerk intensive exotische Fruchtaromen (Mango, Maracuja) beisteuert. Verwoben in dieses Fruchtspiel ist eine feine Würze (Salbei, Lorbeer), ein Touch von Thymian-Honig und eine dezent rauchige Aromaspur. Obwohl mit noch mehr Restzucker ausgestattet als die Spätlese, verfügt auch dieser Riesling über einen phänomenalen „Trinkzug“. Hier paart sich eine beeindruckende innere Dichte mit einem Touch von Schwerelosigkeit. Meine Wertung: 94 Parker-Punkte.
Ein edelsüßer Kracher im aktuellen Sortiment von Heike Bamberger ist der Eiswein. Dessen gefrorenen Trauben wurde aus einer Rebanlage am Hangfuß des Meddersheimer Rheingrafenberg bei Temperaturen von minus 7 Grad Celsius gelesen, und zwar zu einer Zeit, als kaum mit dieser Kühle zu rechnen war: am 30. November. Die hohe Reife der Trauben in Kombination mit ihrer exzellenten und so gut wie von Edelfäule freien Verfassung mündete in einem brillanten Eiswein mit einer kristallklaren und reinen Eisweinnote in der Nase. Am Gaumen balgen sich intensive und exotischen Fruchtaromen (weißer Pfirsich, kandierte Aprikose und Ananas, Kaffir Limette, Papaya) mit Noten von süßen Rosinen und einer feinen Salbeiwürze. Die betörende Reintönigkeit des Eisweins wird durch die agile Säure (ca. 13 g.) unterstrichen, die spielerisch die verführerische, den Gaumen wie Samt umkleidende Süße zu bändigen weiß. Meine Wertung: 96 Parker-Punkte.
Service
Heiko Bamberger. Foto: Moderne Topfologie |
Dieser Artikel dreht sich um den Winzer Heiko Bamberger. Du möchtest mehr über den Sekterzeuger Heiko Bamberger erfahren? Kein Problem! Im vergangenen Jahr habe ich den Bereich Sekterzeugung des Wein- und Sektgutes Bamberger näher unter die Lupe genommen, nachzulesen hier im Blog im Bericht Riesling- und Pinot-Sekt von der oberen Nahe - das perlt!
Winzerfamilie Bamberger: Ute und Heiko Bamberger mit Tochter und Sohn. |
Fotos: Moderne Topfologie & Wein- und Sektgut Bamberger