Und dann hat's Krack gemacht: Winzersekt zeigt Dom Pérignon und Louis Roederer Cristal die klare Kante


Sektveranstaltung Rohkost bei Griesel & Compagnie


12|04|2018    Kann ein deutscher Winzersekt Champagner Paroli bieten . . . und zwar nicht irgendwelchen französischen Schaumweinen, sondern solchen Großkalibern wie Dom Pérignon und Louis Roederer Cristal? „Mon dieu, jamais, jamais, jamais!“ wird es jetzt aus den Reihen der Franzosen mit einem Ton der Entrüstung erschallen. Ein deutscher Sekt auf Augenhöhe mit Champagner – welch‘ Perfidie, welch‘ Anmaßung, welch‘ Größenwahn. Niemals! „Et basta!“ „Möglicherweise, vielleicht, aber doch eher unwahrscheinlich“, so werden Schaumweinfreunde anderer Herren Länder diese Frage wohl mehrheitlich beantworten. Ich aber sage: Aber ja doch, unbedingt, das geht! Aber hallo, und wie!


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Champagner-Granaten vs. pfälzer Winzersekt

Wie ich zu dieser festen Ansicht komme. Nun, in war jüngst dabei, als bei einer Schaumwein-Fachverkostung der Winzersekt Krack Freudeskreis Grand Cuveé 2014 gegen die Champagner Louis Riederer Cristal 2004 und Dom Pérignon 2009 (Magnum) nebeneinander und blind – also ohne Wissen darüber, welche Schaumweine überhaupt in den Gläsern sind – verkostet wurden. Und was soll ich sagen: Raunen und Erstaunen ging durch den Saal, als Probenleiter und Champagner-Experte Boris Maskow, Chevalier de l'Ordre des Coteaux de Champagne und Champagnerbotschafter für den Champagnerdachverband CIVC, die blickdichten Hüllen von den Flaschen zog und enthüllte, welche drei Schaumweine-Kaliber hier um die Gunst der Genießer buhlten. Zwei Champagner-Granaten stiegen mit einem deutschen Schaumwein aus dem kleinen pfälzischen Sektgut Krack in den Ring – und bissen sich an der Freudeskreis Gand Cuvée 2014 die Zähne aus. Krack!

Sekt vom Sektgut Krack
Grandioser deutscher Sekt: Krack Freundeskreis Grande Cuvée brut 2014.


Ja, die beiden Champagner waren erstklassige Vertreter ihrer Art, beide hervorragend gereift, sehr balanciert und harmonisch, alles ohne Fehl und Tadel. Dafür notierte ich während der Blindwerkostung hohe Bewertungspunkte . . . doch einer der Schaumweine heimste im direkten Vergleich gegenüber den beiden anderen Probanden drei Parkerpunkte mehr ein. Warum? Dieser Schaumwein präsentierte sich am Gaumen etwas wilder, ungestümer als die beiden anderen, scherte sich einfach weniger um eine gesetzte, von Süße getragene Harmonie. Dafür zündete er in der Nase, aber mehr noch am Gaumen ein vielschichtiges Feuerwerk der Aromen, die durch eine quicklebendige Perlage und eine fein ziselierte Säure zum Tanzen gebracht werden. Gelber reifer Apfel, eine Spur Honig, ein grandioses Funkeln exotische Aromen (Ananas, Papaja), dazu salzig-säuerliche, die Fruchtaromen zugleich kontrastierende und anhebende Einsprengsel. Schmelz kombiniert mit Eleganz, Zug und Frische. Einfach klasse und im Vergleich belebender, facettenreicher, interessanter als Schaumwein Nummer eins und zwei.

„Deutscher Sekt ist aktuell so gut wie selten zuvor."
Boris Maskow, Minnesänger und Kreuzritter des edlen Schaumweins

Welcher Schaumwein so beeindruckend im Glas sprudelte, stellte sich nach der „Enthüllung“ der zur Blindverkostung ausgeschenkten Flaschen herausstellte: die Freudeskreis Grand Cuvée 2014, eine Cuvée aus Chardonnay und Spätburgunder aus dem Sektgut Krack in Deidesheim in der Pfalz. Um mich herum Geraune und erstauntes Augenwischen. Ein deutscher Sekt, der sich im Blindvergleich so wacker gegen zwei Champagner-Kolosse, die zudem um das zigfache teurer sind, schlägt - ich war nicht der Einzige, dem ob des bemerkenswerten Abschneidens der Krack‘schen Cuvée die Kinnlade herunter klappte.

Champagner-Experte Boris Maskow
Champagnerbotschafter Boris Maskow, Chevalier de l'Ordre des Coteaux de Champagne.


Eine Ausnahme? In der Breite vielleicht, aber auch eine, die mit anderen deutschen Winzersekten zu wiederholen ist. Dies zeigten auch die weiteren Champagner- und Winzersekt-Vergleiche, die zu der von Boris Maskow geleiteten „Masterclass“ gehörten. Auch in diesen bewegten sich die deutschen Winzersekte Eymann Blanc de Blancs Réserve, Schloss Vaux Rüdesheimer Berg Schlossberg Riesling 2010, Braunewell Francois Pinot Brut Nature 2013, Wilhelmshof Blanc de Noir Patina 2009, Reinecker Cuvée Classik Extra Brut, Flik Suavium Kuss der Liebenden Pinot Noir Rosé und Strauch Rosé Brut auf vergleichbaren oder gleichem Niveau wie die Champagner Robert Moncuit Chardonnay Vozémieux 2010, Drappier Grande Sendrée 2002 und Vadin-Plateau Rosé Brut.

Niko Brandner vom Sekthaus Griesel & Compagnie


"Rohkost" für Schaumwein-Liebhaber

„Deutscher Sekt ist aktuell so gut wie selten zuvor“, brachte Maskow, laut Eigenbeschreibung „Minnesänger und Kreuzritter des exklusiven Schaumweins“, seine Einschätzung auf den Punkt.

Präsentation von Winzersekt bei der Rohkost


Denn es gibt sie wieder vermehrt: qualitätsbewusste Sekterzeuger in Weingütern oder kleine, auf die Schaumweinproduktion spezialisierte Sekthäuser, die in der vordersten Front der Schaumweinerzeuger mitspielen wollen und können. Eine Auswahl dieser Speerspitze der deutschen Sektszene präsentierte sich jüngst bei der Veranstaltung „Rohkost 2018“, in dessen Rahmen auch die „Masterclass“ mit Markow stattfand.

Sekthaus Griesel & Compagnie


Die rund 60 Fachbesucher der ersten Veranstaltung dieser Art im Sekthaus Griesel & Compagnie in Bensheim an der hessischen Bergstraße müssten aber keine Angst haben, dort von den teilnehmenden deutschen Sekterzeugern mit Rohkost in Form von Obst und Gemüse versorgt zu werden. Auf dem „Speiseplan“ standen vielmehr neben einigen fertigen Sekten zuvorderst Sektgrundweine des aktuellen Jahrgangs sowie Rohsekte vorhergehender Jahrgänge, die ihre Flaschenfüllung noch vor sich haben, woraus sich auch der Veranstaltungsname „Rohkost“ erklärt.

Präsentation von Winzersekt bei der Rohkost


Die Idee zu der in dieser Form auf deutschem Boden erstmals veranstalteten Verkostung hatte Niko Brandner, der Sekterzeuger und Betriebsleiter von Griesel & Compagnie. „In der Champagne sind solche Präsentationen von Schaumweinen in den verschiedenen Erzeugungsstufen gang und gäbe“, so Brandner, der angeregt durch dieses Vorbild auf die Idee kam, etwas Ähnliches zusammen mit befreundeten und bekannten deutschen Winzersekterzeugern auch in unseren Landesgrenzen auf die Beine zu stellen.

Niko Brandner vom Sekthaus Griesel & Compagnie
Niko Brandner, Sektverantwortlicher des Sekthauses Griesel & Compagnie.

Die Motivation: Den „kleinen Aufschwung“, den die Szene der deutschen Sekterzeuger in den vergangenen Jahren hingelegt hat, zu dokumentieren, die Geschichte und „Handschrift“ der Sekte vom Grundwein bis zum fertigen Produkt in der Flasche für die „Rohkost“-Besucher „nachschmeckbar“ darzustellen und für hochwertige Sekte aus deutscher Herstellung zu werden. „Denn nirgendwo sonst auf der Welt wird so viel Schaumwein getrunken wie in Deutschland, aber mengenmäßig leider hauptsächlich in einer Preisklasse von drei bis vier Euro pro Flasche“, so Brandner, der von seinem Chef Jürgen Streit, seit 2013 Inhaber des früheren Staatsweingutes im Griesel, schnell grünes Licht für die „Rohkost“-Planung erhielt.

Jürgen Streit, Inhaber des früheren Staatsweingutes im Griesel
Jürgen Streit, Inhaber von Griesel & Compagnie.


Auch Kooperationspartner für die Veranstaltung waren schnell gefunden, darunter der Glashersteller Sophienwald Glas und die Odenwaldquelle Heppenheim sowie die Red Code Coffee Roasters, die Alte Dorfmühle Brot und Backkultur und die Fleischeslust Metzgerei & Feinkosteria (alle aus Bensheim), die für begleitende kulinarische Gaumengenüsse sorgten, so unter anderem mit den „eingedosten“ pfiffigen Currywürsten und Bratwürsten mit Kochkäse aus der Schmiede von Metzgermeister Andreas Wick. 

Wurst der Fleischeslust Metzgerei und Feinkosteria

Barista der Red Code Coffee Roasters

Alte Dorfmühle Brot und Backkultur


Der Weg war als bereitet, und so machten sich jüngst 12 weitere deutsche Sekterzeuger auf zur Premiere der Veranstaltung im ehemaligen Staatsweingut in Bensheim. Die Teilnehmer der „Rohkost 2018“: Wein- und Sektgut Bamberger (Nahe), Weingut Braunewell (Rheinhessen), Sekthaus Burkhardt Schür (Franken), Weingut Eymann (Pfalz), Sektmanufaktur Flik (Rheinhessen), Griesel & Compagnie (Hessische Bergstraße), Sekthaus Krack (Pfalz), Sekthaus Solter (Rheingau), Strauch Sektmanufaktur (Rheinhessen), Sekthaus Raumland (Rheinhessen), Seltkellerei Reinecker (Baden), Schloss Vaux (Rheingau) sowie Wein- und Sektgut Wilhelmshof (Pfalz).

Präsentation von Winzersekt bei der Rohkost


Schwierigkeiten, die Sekterzeuger aus ganz Deutschland an die Hessische Bergstraße zu locken, hatte Brandner nicht. „Zweimal fragen brauchte ich keinen, alle Kollegen haben sofort zugesagt“, erzählt der junge Sektmacher. Kein Wunder, denn die Riege der Schaumweinerzeuger eint ein und dieselbe Qualitätsphilosophie. Hochwertiger Sekt lässt sich nicht „einfach mal so schnell nebenher machen“ (Brandner). Vielmehr ist viel Fachwissen (so bereits bei der Auswahl des Sektgrundweine), großes Engagement, viel Zeit und noch mehr Herzblut erforderlich, um international konkurrenzfähige Spitzenprodukte in die Sektflasche zu bekommen.

Präsentation von Winzersekt bei der Rohkost


Schaumwein-Masterclass mit Boris Maskow

Der freundliche Wettstreit der deutschen Schaumweine mit den ausgewählten Champagner bei Boris Maskows „Masterclass“ belegte eindrucksvoll für alle Teilnehmer, auf welch hohem Niveau deutsche Sekt heute mitzuspielen in der Lage sind.

Champagner-Experte Boris Maskow


Zum „Eichen“ der Geschmacksnerven und zugleich als Beispiel für einen Schaumwein mit einem traditionellen und einem neuen Stils füllte Champagner-Ritter Maskow zunächst den geschätzt 20 Jahre alten Champagner Franck Bonville Blanc de Blancs Avize Grand Cru Brut Sélection NV (Jéroboam-Flasche) und den deutschen Schaumwein Eymann Blanc de Blancs Réserve brut nature parallel in die Gläser.

Champagner und Winzersekt


Ebenso wie der Winzersekt Krack Freudeskreis Gand Cuvée 2014 (mein Voting: 94 Parkerpunkte) hinterließ auch der Eymann Blanc de Blancs Réserve brut nature bei mir einen sehr starken, von mir mit 93 Punkten bezifferten Geschmackseindruck. In der Nase Brioche, eine leichte Haselnussnote und gelbe Früchte, am Gaumen dann viel Frische und Power, wieder Gelbfrüchte und eine Spur Zitrus, im Nachhall der Duft von weißen Champignons und ein kalkiges, mineralisches Prickeln. Kein Wunder, dass dieser Winzersekt vom Meininger Verlag mit dem Deutschen Sektpreises 2017 in der Kategorie Burgundersekt ausgezeichnet wurde.

Champagner Roederer


Den ersten Dreiervergleich bildeten die Schaumweine Schloss Vaux Rüdesheimer Berg Schlossberg Riesling 2010, Braunewell Francois Pinot Prestige Brut Nature 2013 und Robert Moncuit Chardonnay Vozémieux 2010.

Champagner und Winzersekt


Mein Favorit hier: Der von mir mit 93 Punkten honorierte Sekt aus dem rheinhessischen Wein- und Sektgut Braunewell, in dem seit bereits seit der 1980er Jahren ein besonderes Augenmerk auf die Sekterzeugung gelegt wird. Die Grundweine für den aus Spät- und Grauburgunder erzeugten Sekt wurden im Stückfass und Barrique vergoren, das Hefelager nach der Versektung dauerte 36 Monate. Der Sekt duftet in der Nase nach dunkler Brotkruste und Waldboden und entfaltet am Gaumen ein druckvolles, aber elegant-frisches Aromenspiel (roten Beeren, Hagebutte, Brioche, Champignons). Im Abgang zeigt der Sekt frische Zitrusnoten, mineralische Anklänge und ein knackiges Finale.

Sektpräsentation Rohkost
Probiere, Schnabulieren und Fachsimpeln bei der "Rohkost 2018".


Im zweiten Dreiervergleich standen der Drappier Grande Sendrée 2002, der Wilhelmshof Blanc de Blancs Patina 2009 und die Reinecker Cuvée Classic Extra brut nebeneinander in den Gläsern.

Champagner und Winzersekt


Die beiden deutschen Winzersekte bewegten sich dabei für meinen Geschmack auf direkter Augenhöhe (beide 92 Parkerpunkte). Beide präsentierten sich sehr trink animierend, saftig und frisch, beide verfügten über ein tolles Fruchtspiel, das durch Noten von Brioche, Mandelblüte, Hibiskus, Honig, weißem Pfeffer und Kalk Komplexität und Tiefe erhielt. Klasse Sommersekte, die einen südlichen Touch versprühen, ohne „überhitzt“ zu wirken.

Im nächsten „Dreierflug“ hatte – wie oben bereits ausgeführt – der Winzersekt Krack Freudeskreis Grand Cuveé 2014 (meine Wertung: 94 Punkte) die Nase vor dem Champagner Louis Riederer Cristal 2004 und dem Dom Pérignon 2009 (beide von mir mit 91 Punkten bewertet).

Champagner und Winzersekt


Die letzte Runde wurde bestritten von den Rosé-Schaumweinen Flik Suavium Kuss der Liebenden Pinot Noir Rosé und Vadin-Plateau Rosé Brut, die ich beide mit 89 Punkten auf identischem Niveau einsortierte, und dem Strauch Rosé Brut, den ich mit leichtem Vorsprung (91 Punkte) aufs Siegertreppchen setzte.

Champagner und Winzersekt


Viel reifer Apfel und rote Waldbeeren in der Nase, am Gaumen ein feinsinniges Spiel von Frucht (rote Beeren, Cantaloupe-Melone, Zitrus) und Würze (Piment, Wacholderbeere), im Nachhall viel Grip und Rasse – ein wirklich tiefgründiger und bemerkenswerter Vertreter der Rosé-Sekte.

Winzer und Sekterzeuger Heiko Bamberger
Sektgrundweine, Rohsekte und Fertigsekt stehen bei der "Rohkost" zur Verkostung bereit.


Fazit der „Rohkost“ inklusive Schaumwein-Masterclass: Eine ebenso informative wie erhellende Veranstaltung, die eindrucksvoll belegte, auf welch‘ erstklassigem Niveau sich deutsche Schaumweine heute (wieder) befinden. Den Vergleich mit bestem Champagner brauchen Sekte dieses Typs beileibe nicht zu scheuen – mein Wort darauf!

Wurst der Fleischeslust Metzgerei und Feinkosteria


Eis
Kühleis-Kehraus bei der "Rohkost" . . .

Champagner und Sekt
. . . zurück bleiben leere Blubberwasser-Flaschen.

Text & Fotos: Moderne Topfologie