05|04|2019 Was passiert, wenn drei Brüder mit ausgeprägtem Unternehmergeist und einem Faible für Gin feststellen, dass es keinen Wacholderschnaps aus ihrer Heimatregion gibt? Richtig: Sie nehmen die Sache selbst in die Hand und kreieren einen Mittelrhein-Gin: den Loredry.
"Klar, aus Marketing-Sicht wäre es natürlich schöner, wenn wir auch behaupten könnten, wir hätten das Rezept in einer uralten, verstaubten Kiste entdeckt", sagt Markus Wanning mit einem Augenzwinkern. So nämlich lautet der Gründungsmythos des Schwarzwald-Gins "Monkey 47", der den Boom der deutschen Regional-Gins vor etwa fünf Jahren losgetreten hat. Seither gibt es die Wacholder-Spirituose aus nahezu jeder Ecke Deutschlands. Nur bis dato eben nicht vom Mittelrhein - der Heimat der drei Wanning-Brüder.
In Ermangelung einer griffigen Legende bleiben Markus, Andreas und Stefan Wanning - alle drei aufgewachsen in Bingen - lieber bei der Wahrheit. Und die lautet simpel: Leidenschaft für Gin geweckt, Marktlücke entdeckt. Markus - mit 26 der Jüngste im Bunde - ist berufsbedingt viel unterwegs und hatte es sich in den vergangenen Jahren zur Angewohnheit gemacht, auf seinen Reisen regionale Gins zu sammeln. Auf rund 50 Sorten ist diese Sammlung zwischenzeitlich angewachsen. Ein Gin aus der eigenen Heimatregion fehlte bislang in der Sammlung. Schlicht, weil es keinen gab. Also schickten sich die Wanning-Brüder vor rund zwei Jahren an, diese Marktlücke auf eigene Faust zu füllen. Die Idee vom "Loredry-Gin" war geboren.
Loredry - ein hochprozentiges Loblied auf die Heimat
Weil das Rezept aus besagter verstaubter Kiste fehlt, müssen die drei Brüder - allesamt Quereinsteiger - bei Null anfangen. Für das nötige Know-How holen sie sich mit Winzer Heinz-Uwe Fetz einen Fachmann mit ins Boot, der dank seiner eigenen Destillerie Fetz in Dörscheidt nicht nur Erfahrung, die nötige technische Ausstattung, sondern auch das gewünschte Lokalkolorit einbringt. Denn für Markus Wanning und seine Brüder steht fest: Der eigene Gin soll eine Liebeserklärung an ihre Heimat - das Mittelrheintal - werden. Weitestmöglich soll ihr Mittelrhein-Gin deshalb aus Zutaten aus der Region bestehen. Doch das ist leichter gesagt als getan.
Haben den Loredry Gin kreiert: die Brüder Markus, Andreas und Stefan Wanning. |
Die Suche nach lokalen Lieferanten sei auf dem Weg zum eigenen Gin mit die größte Herausforderung gewesen, sagt Markus Wanning. Denn auch wenn die Gin-Produktion für die Brüder - die weiterhin ihren Berufen außerhalb der Spirituosen-Branche nachgehen - ein Hobby ist: Der Anspruch an das fertige Produkt war von Anfang an ein professioneller. "Ausgangspunkt für einen guten Gin sind gute Zutaten von gleichbleibend hoher Qualität", erklärt Markus Wanning. Deshalb müssen die Brüder bei der Auswahl ihrer Rohstoffe hier und da Kompromisse machen. Allerdings nicht besonders viele: Ein Großteil der nötigen Komponenten stammt vom Mittelrhein. Das gilt sowohl für den Grundstoff Reinalkohol, der aus Mittelrhein-Weintrauben gewonnen wird, als auch für die meisten der sogenannten "Botanicals", die für das individuelle Aroma eines jeden Gins sorgen.
"Auch wilder Lavendel und Mittelrhein-Kirsche gehören zu den 17 Botanicals des Loredry."
17 dieser pflanzlichen Zutaten finden sich im Rezept des "Loredry"-Gins. Die Hauptkomponente - Wacholder - stammt zwar aus Italien, doch für die individuelle Note sorgen Pflanzen, Früchte und Gewürze aus heimischem Anbau. Dazu gehören unter anderem wilder Lavendel und Mittelrhein-Kirschen. Weiter ins Detail mag Markus Wanning nicht gehen. Schließlich verrät kein Gin-Produzent freiwillig sein Rezept.
Tröpfchen für Tröpfchen zur Medaille
Für den Geschmack ebenso entscheidend wie die Zutaten ist deren Dosierung - und daran haben sich die Brüder richtiggehend akademisch herangetastet: Einzelne Konzentrate wurden hergestellt, vermengt, mit der Pipette dosiert, immer wieder variiert und dokumentiert. In Milliliterschritten tasteten sich die Wanning-Brüder an das gewünschte Aroma heran. Nützlich, dass der älteste Bruder Stefan von Hause aus Apotheker ist.
Die Brüder starteten ihre Versuchsreihe - die am Ende fast eineinhalb Jahre dauern sollte - mit der Prämisse, den Charakter des Mittelrheintals einfangen zu wollen. "Weil wir schon viele Gins probiert hatten, wussten wir auf schon mal grob in welche Richtung es gehen sollte", sagt Markus Wanning. Floral-fruchtig sollte ihr eigener Gin schmecken. "Um dem warmen und freundlichen Klima im Mittelrheintal gerecht zu werden." Und obwohl sich über Geschmack auch unter Brüdern trefflich streiten lässt, ist Wanning mit dem Ergebnis hochzufrieden: "Wir haben's ziemlich genau getroffen", sagt er. Mit seinem Urteil ist er dabei nicht alleine. Auch ausgewiesene Fachleute sind der Ansicht, dass der "Loredry"-Gin mehr als nur gut gelungen ist. Bei der IWSC 2018 in London bei der knapp 1000 Spirituousen aus der gesamten Welt teilnehmen, wurde der Gin mit der Silbermedaille in der Kategorie Gin – Contempory Styles ausgezeichnet.
"Jede Produktionsreihe besteht aus exakt 555 Flaschen - dem Rheinkilometer der Loreley."
Nicht nur der Geschmack ist eine Gemeinschaftsproduktion, sondern auch Aufmachung, Etikett, Flaschenwahl und Gestaltung. Auch dabei haben die Brüder nichts dem Zufall überlassen, sondern bleiben dem regionalen Konzept treu: Die Flaschen stammen von einem regionalen Lieferanten und die selbstgestalteten Etiketten werden in einer Druckerei im Nachbarort hergestellt. Lokalkolorit behalten die Wannings auch bei der Benennung ihrer "Batches" - also der Produktionsreihen - bei: Jeder Batch trägt den Namen einer Mittelrheinburg. Namensvetter der aktuellen (vierten) Batches ist die Burg Reichenstein. "Jede Produktionsreihe besteht außerdem aus exakt 555 Flaschen - dem Rheinkilometer der Loreley", verrät Markus Wanning.
Vertrieben wird der Loredry-Gin der Wanning-Brüder derzeit über regionale Feinkostläden - wie etwa dem "Heimat No. 5" in Bingen - und über den Loredry-Onlineshop. Auch auf der Loreley kann man den Gin mit Lokalkolorit mittlerweile kaufen. Das Vertriebsnetz wächst langsam, zumeist ausschließlich über persönliche Kontakte. Daran soll sich auch in naher Zukunft nichts ändern, denn für die Wanning-Brüder bleibt die Gin-Produktion ein Hobby. "Keiner von uns hat vor, seinen Job zu kündigen und hauptberuflich einzusteigen", sagt Markus Wanning. Der Spaß steht im Vordergrund, nicht der Profit. Momentan trägt sich das Projekt selbst. Und das ist schließlich mehr, als man von den meisten anderen Hobbys behaupten kann.
Randnotizen
So entsteht Gin
Der Loredry-Gin entsteht nach dem sogenannten Mazerationsverfahren. Dabei wird der Reinalkohol in der Brennblase mit Wasser verdünnt. Anschließend wird ein Teil der benötigten Botanicals in der Mischung für eine bestimmte Zeit eingeweicht. Die Aromen werden dadurch aus den Botanicals extrahiert. Danach beginnt der eigentliche Brennvorgang. Der Alkoholdampf wird aufgefangen und durch das Herunterkühlen wieder verflüssigt. Der Vorlauf ist nicht genießbar und wird wie der Nachlauf entfernt und zurück in die Brennblase gegeben. Nur der Mittellauf wird als Gin abgefüllt. Je nach Sorte und Brennerei, werden bis zu drei Brenndurchgänge durchgeführt. Eine Alternative ist das Perkolationsverfahren, bei dem die Botanicals in der oberen Hälfte der Brennblase in Körbe gehängt werden und die Aromen durch den aufströmenden Alkoholdampf ausgelöst werden.
Gin-Tipp
Markus Wanning trinkt seinen Loredry-Gin am liebsten als Gin-Tonic (5 cl Gin, 15-20 cl Aqua Monaco Gold Tonic Water), zusammen mit einem Blatt frischer Minze und einer gefrorenen Mittelrheinkirsche. Dazu ein großer Eiswürfel.